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Was ist Fatigue?
Fatigue, vom lateinischen Fatigatio („Ermüdung, Erschöpfung“) abgeleitet, bezeichnet einen Zustand außerordentlicher Müdigkeit und mangelnder Energiereserven, der in Bezug auf die vorangegangenen Aktivitäten unverhältnismäßig ist und selbst nach angemessenen Ruhepausen nicht verschwindet. Auch gesunde Menschen verspüren nach geistiger oder körperlicher Anstrengung Müdigkeit und Erschöpfung – nach ausreichendem Schlaf oder einer Ruhepause jedoch sind sie in der Regel wieder leistungsfähig. Bei vielen Krebspatienten ist es anders: Sie fühlen sich trotz Ruhephasen erschöpft, kraftlos und müde. Auch Schlaf vermag ihre Leistungsfähigkeit nicht wiederherzustellen. Schon alltägliche Verrichtungen im Haushalt, Treppensteigen oder Einkaufen können kaum noch bewältigt werden.
Tritt eine solche anhaltende Erschöpfung im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung auf, wird sie als Tumor-assoziierte Fatigue bezeichnet. Davon abzugrenzen ist das sogenannte Chronische Fatigue-Syndrom, bei dem keine einzelne körperliche Grunderkrankung als Ursache für die anhaltende Erschöpfung auszumachen ist.
Wann und wie oft kommt Tumor-assoziierte Fatigue vor?
Tumor-assoziierte Fatigue kann zu jedem Zeitpunkt der Krebserkrankung auftreten – als frühes Zeichen noch vor der Diagnose, während der Therapie, bei einem Rückfall oder sogar noch Jahre, nachdem eine Behandlung erfolgreich abgeschlossen wurde. Die Beschwerden können nach einer gewissen Zeit wieder verschwinden oder länger anhalten. Je stärker sie schon während der Therapie sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch danach weiter bestehen oder zurückkehren.
Die Angaben zur Häufigkeit schwanken teilweise erheblich, da für die Erhebung verschiedene Fragebögen eingesetzt werden können und es variiert, ab wann die angegebenen Beschwerden als Tumor-assoziierte Fatigue gelten. Trotzdem legen Befragungen nahe, dass schon bei der Aufnahme in die Klinik ein Drittel der Krebspatienten Müdigkeits- und Erschöpfungssymptome verspürt. Noch Jahre, nachdem die Krebstherapien beendet sind, leiden vermutlich bis zu 30 Prozent der Patienten unter anhaltenden Fatigue-Beschwerden
Mit welchen Beschwerden ist Fatigue verbunden?
Das Beschwerdebild der Tumor-assoziierten Fatigue ist vielgestaltig. Welche Symptome auftreten, wie intensiv und mit welchen Einschränkungen sie verbunden sind, hängt stark vom individuellen Empfinden des Einzelnen ab, sodass die Betroffenen ihre Beschwerden auf sehr unterschiedliche Weise beschreiben. Typisch für Fatigue sind jedoch immer eine ausgeprägte Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Erschöpfung und verminderte Leistungsfähigkeit.
Die häufigsten Beschwerden auf einen Blick
- Müdigkeit, fehlende Energie und/oder ein unverhältnismäßig gesteigertes Ruhebedürfnis
- Gefühl einer allgemeinen Schwäche oder Gliederschwere
- Konzentrationsstörungen
- Mangel an Motivation, den normalen Alltagsaktivitäten nachzukommen
- Schlaflosigkeit oder übermäßiges Schlafbedürfnis
- Erleben des Schlafes als wenig oder gar nicht erholsam
- Gefühl, sich zu jeder Aktivität zwingen zu müssen
- Ausgeprägte emotionale Reaktionen auf die Erschöpfung (zum Beispiel Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Frustration)
- Schwierigkeiten, den Alltag zu bewältigen
- Störungen der Merkfähigkeit
- Nach körperlicher Anstrengung mehrere Stunden andauerndes Unwohlsein
Die auf Fatigue bezogenen Symptome werden von den Patienten als stark belastend empfunden – wohl vor allem deshalb, weil sie die Leistungsfähigkeit und den normalen Alltag stark einschränken. Die Lebensqualität sinkt enorm.
Quellen:
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Fachberatung:
Prof. Dr. med. Florian Lordick, Leipzig, Sprecher der AG Palliativmedizin in der Deutschen Krebsgesellschaft
Prof. Dr. med. Oliver Rick, Bad Wildungen, Vorsitzender der AG Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin (ASORS)
Zuletzt aufgerufen am: 09.10.2024 17:40