Hodenkrebs - Frühes Erkrankungsalter, aber sehr gute Heilungschancen
Hodenkrebs entsteht zumeist aus den sogenannten Keimzellen, aus denen sich die Spermien bilden. Daher werden Hodentumoren oft auch „Keimzelltumoren“ genannt. Bei nur ca. 7% der Tumoren des Hodens liegen andere Tumorarten vor. 80% der von Hodenkrebs Betroffenen sind jünger als 50 Jahre [1,2]. Eine frühe Diagnose und eine auf die individuelle Erkrankung gut abgestimmte Therapie erhöhen die insgesamt sehr guten Heilungs- und Überlebenschancen von Hodenkrebspatienten.
Nach Schätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) erkranken in Deutschland jährlich etwa 4.200 Männer neu an Hodenkrebs. Mit einem Anteil von 1,6% an allen Krebserkrankungen bei Männern gehört Hodenkrebs damit zu den eher seltenen Krebskrankheiten. Im Unterschied zu den meisten anderen Tumorerkrankungen sind die Betroffenen zumeist noch sehr jung. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 38 Jahren [1]. Demgegenüber stehen die Chancen, die Krankheit langfristig zu überleben oder vollständig geheilt zu werden, bei Hodenkrebs besonders gut. Fünf Jahre nach der Diagnose überleben derzeit im Vergleich zur männlichen Allgemeinbevölkerung gleichen Alters etwa 96% der Patienten(relative Überlebensrate). Auch nach zehn Jahren ist dieser Anteil nur geringfügig niedriger (95%) [1, 2].
Ursachen und Risiken für Hodenkrebs
Die Ursachen von Hodentumoren sind noch weitgehend ungeklärt. Ein höheres Risiko, an Hodenkrebs zu erkranken, haben Männer mit einer Hodenfehllage wie Leisten- oder Pendelhoden bzw. Hodenhochstand (Maldescensus testis). Auch Männer, bei denen engste Verwandte an Hodenkrebs erkrankt sind, die bereits einmal an Hodenkrebs erkrankt waren oder bei denen eine Unfruchtbarkeit (Infertilität) diagnostiziert wurde, haben ein erhöhtes Risiko für Hodenkrebs. Umweltfaktoren scheinen dagegen keine Rolle zu spielen. Dementsprechend bieten sich wenige Ansätze für eine Vorbeugung vor Hodenkrebs [3].
„Umso wichtiger ist die Früherkennung und optimale Behandlung. Wird die Krankheit frühzeitig erkannt und adäquat therapiert, beträgt die Heilungsquote nahezu 100%. Bei Diagnose im stark metastasierten Stadium sinkt sie auf ca. 70%“, erklärt Prof. Mark Schrader, Chefarzt der Klinik für Urologie am HELIOS Klinikum in Berlin-Buch.
Früherkennung: Urologen raten zum regelmäßigen Hodencheck
„Eine große Chance bei Hodenkrebs liegt darin, dass man ihn leicht entdecken kann. Man sollte die Hoden regelmäßig selbst untersuchen. 80% der Hodentumoren werden in einem Frühstadium von Patienten selbst erkannt“, so Schrader.
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) ruft junge Männer zwischen 14 und 45 Jahren zum regelmäßigen „Hodencheck“ einmal im Monat auf. Die wichtigsten Frühsymptome bei Hodenkrebs sind tastbare, schmerzlose, harte Schwellungen des Hodens oder Knoten im oder am Hoden. Informationen zum genauen Vorgehen bei der Selbstuntersuchung können auf der Webseite www.hodencheck.de eingesehen werden.
In der Bildergalerie ist zu sehen wie die Selbstuntersuchung funktioniert. Das Abtasten funktioniert am besten unter der Dusche mit beiden Händen. Sollten Sie bei der Selbstuntersuchung Schwellungen ertasten, gehen Sie bitte zum Arzt.
Ergibt sich bei der Selbstuntersuchung ein entsprechender Verdacht, kann ein Urologe mithilfe einer Ultraschalluntersuchung abklären, ob eine Gefahr besteht und weitere diagnostische Maßnahmen durchgeführt werden sollten. Diese umfassen Blutuntersuchungen zur Bestimmung von verschiedenen Tumormarkern sowie die Bestimmung von Hormonen wie des Testosterons. Mit endgültiger Sicherheit kann die Diagnose durch die feingewebliche Untersuchung von auffälligem Hodenmaterial gestellt werden. Dazu wird Gewebe aus dem betroffenen Hoden entnommen. Um festzustellen, ob sich die Erkrankung bereits ausgebreitet hat, folgen in der Regel weitere diagnostische Maßnahmen wie eine Computertomographie des Brust- und des Bauchraums sowie des Beckens und unter Umständen Verfahren zur Erkennung von Hirn- oder Knochenmetastasen [3].
Die mit den unterschiedlichen Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse lassen eine Stadieneinteilung („Staging“) der Erkrankung zu. Diese ist die wichtigste Voraussetzung für eine optimale Therapie [3].
Die individuelle Therapieauswahl
In aller Regel ist die operative Entfernung des tumorbefallenen Hodens (Orchiektomie) der erste Behandlungsschritt. Der weitere Therapieplan richtet sich nach der Tumorart und dem Tumorstadium, wobei das primäre Ziel der Behandlung in den meisten Fällen die komplette Entfernung oder Vernichtung des Tumorgewebes und damit die vollständige Heilung der Hodenkrebserkrankung ist [3].
Wenn kein Lymphknotenbefall oder eine Ausbreitung in andere Organe festgestellt wird, bestehen nach der Operation in den meisten Fällen drei Behandlungsoptionen, die der Arzt dem Patienten dann möglicherweise empfiehlt oder zur Entscheidung stellt: die sog. „Wait-and-see“- oder auch „Surveillance“-Strategie, die ein Abwarten bei Beobachten der Situation durch regelmäßige Kontrollen bedeutet, eine Bestrahlung oder eine Chemotherapie [3]. Der Patient wird hinsichtlich des durchschnittlichen Rückfallrisikos im individuellen Fall mit der einen oder anderen Methode beraten. Wenn der Tumor operativ nicht vollständig entfernt werden konnte und noch Tumorzellen verblieben sind (sog. Residualtumoren) oder bei Nachweis von Metastasen und anderen Risikofaktoren oder späterem Wiederauftreten der Tumoren (Rezidiv) kommen weitere Therapiestrategien in Betracht [3].
Da die meisten Hodenkrebspatienten eine gute Prognose haben und ihre Erkrankung langfristig überleben, sollte die Auswahl der Therapie auch mit Blick auf die spätere Lebensqualität getroffen werden. „Die größte Gefahr ist heute nicht, dass Patienten zu wenig behandelt werden, sondern dass eine Übertherapie erfolgt. Sie werden zwar geheilt, haben aber unter Umständen mit vermeidbaren langfristigen Nebenwirkungen und einer verminderten Lebensqualität zu kämpfen“, so Prof. Schrader.
Ihr gutes Recht: Zweitmeinung über den Arzt anfordern
Der Hodenkrebsexperte rät Patienten, sich bei jeder Neudiagnose an den behandelnden Arzt zu wenden und sich zu versichern, dass eine Zweitmeinung eingeholt wird. Wie Schrader berichtet, steht dafür seit 2006 das Zweitmeinungsnetzwerk Hodentumoren (https://hodentumor.zweitmeinung-online.de/) zur Verfügung: Über das Onlineportal können Ärzte bei Diagnose von Hodentumoren die Patientendaten und ihre eigene Therapieplanung anonymisiert an eines der mehr als 30 angeschlossenen Zweitmeinungszentren übermitteln. Die Zweitmeinungszentren sind auf die Behandlung von Hodenkrebs spezialisiert. Die Behandlungsempfehlung liegt nach spätestens zwei Tagen vor [4].
„Hodenkrebs ist eine seltene Erkrankung, die Erfahrungen in den meisten Praxen und Kliniken sind eher gering. In vielen Fällen profitiert der Patient daher von dem Einholen einer Zweitmeinung, sie führt bei etwa 40% der Fälle zu einer Änderung des Therapiekonzepts. Ärzte werden dadurch versichert, dass der erstellte Behandlungsplan richtig ist“, erklärt der Professor und Leiter des Zweitmeinungs-Projekts. Grundsätzlich können Patienten auch selbst ihre Daten hochladen oder sich an eine Person oder einen Arzt ihres Vertrauens wenden, der sie unterstützt, sagt Schrader (Hodenkrebszweitmeinung unter: www.zweitmeinung-online.de)
2016 wurden dem Experten zufolge bereits 25% aller diagnostizierten Hodenkrebspatienten im Zweitmeinungsnetzwerk vorgestellt. Bei der Techniker Krankenkasse (TK) ist das Einholen der Zweitmeinung heute bereits ein fester Bestandteil des Versorgungskonzepts bei Hodenkrebs – aufgrund der guten Langzeiterfahrungen.
Behandlung in spezialisierten Hodenkrebszentren
Eine weitere Möglichkeit, die Therapie und damit die Heilungs- und Überlebenschancen zu optimieren, bietet die Behandlung in sog. spezialisierten Hodenkrebszentren. Diese zeichnen sich durch eine enge und regelmäßige Zusammenarbeit von Experten der Fachdisziplinen Pathologie, Radiologie, Urologie, Onkologie und Strahlentherapie in sogenannten interdisziplinären Tumorkonferenzen aus [5]. „Vor allem Patienten, die komplexe chirurgische Eingriffe wie etwa eine Residualtumorresektion benötigen, Rezidive aufweisen oder primär weit fortgeschrittene Tumore haben, sollten sich zur Behandlung an spezialisierte Hodenkrebszentren wenden, die diese Eingriffe häufig machen und entsprechend erfahren sind“, rät Schrader. Adressen können Patienten zum Beispiel über den behandelnden Arzt erfragen (Hodenkrebszweitmeinung unter: https://hodentumor.zweitmeinung-online.de/).
Hodenkrebs und Kinderwunsch
Vor der Therapie ist darüber hinaus auch eine Beratung zu möglichen Auswirkungen auf die Zeugungsfähigkeit erforderlich. Da viele Patienten jung erkranken, kann ein Kinderwunsch auch zu einem späteren Zeitpunkt noch relevant werden. Wenn nur ein Hoden entfernt werden muss, bleibt die Zeugungsfähigkeit zwar meist erhalten oder stellt sich nach abgeschlossener Therapie wieder ein. Bestimmte notwendige Behandlungen, etwa höher dosierte Chemotherapien oder Bestrahlungen, können die Fruchtbarkeit jedoch herabsetzen oder in einigen Fällen möglicherweise ganz einschränken. Auch die Hodenkrebserkrankung selbst kann Auswirkungen auf die Spermienproduktion und -qualität haben. Bei noch nicht abgeschlossener Familienplanung und in Abhängigkeit von der vorgesehenen Therapie besteht u.a. die Möglichkeit des Einfrierens von Samen (Sperma-Kryokonservierung). Wenn zu wenige Spermien im Ejakulat vorhanden sind, können diese zumeist auch dann noch durch einen kleineren operativen Eingriff am Hoden gewonnen und eingefroren werden [6].
Fachberatung: Prof. Mark Schrader (Berlin)
Service und Link-Tipps
Informationen zur Selbstuntersuchung:
- Webseite der Deutschen Gesellschaft für Urologie: http://www.hodencheck.de/
Adressen spezialisierter Ärzte und Zentren und weiterführende Informationen zum Thema Hodenkrebs:
- Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Hodentumoren: http://www.hodenkrebs.de
Zweitmeinung:
- Webseite der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Hodentumoren: www.zm-hodentumor.de
- Eine Übersicht der führenden Spezialisten im Bereich:
http://www.leading-medicine-guide.de/Urologie-Prostata/Hodenkrebs-OP
Informationen und Beratung bei Hodenkrebs und Kinderwunsch:
- FertiPROTEKT Netzwerk e.V.:www.fertiprotekt.com
- Krebsinformationsdienst:
https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/kinderwunsch/kinderwunsch-unfruchtbarkeit-ursachen.php
Selbsthilfegruppen Hodentumoren und weitere Informationen für Patienten:
- Anlaufstelle zum Heraussuchen einer Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe ist die Internetseite: https://www.nakos.de/adressen/
Austausch mit anderen Betroffenen per Forum:
- Forum Krebskompass: http://www.krebs-kompass.org/forumdisplay.php?s=375f86b4fee0ccd19ea4c0efd97d9954&f=18
Quellen:
[1] Robert-Koch-Institut. Zentrum für Krebsregisterdaten: http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Hodenkrebs/hodenkrebs_node.html; Zugriff am 11.05.2017 [2] Bertz J et al.: Epidemiologie bösartiger Hodentumoren in Deutschland. Onkologe 2017. 23:90–96
[3] Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V.: Onkopedia-Leitlinien "Keimzelltumoren des Mannes". Online unter: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/keimzelltumoren-des-mannes/@@view/html/index.html; Stand: September 2016.
[4] Deutsche Hodentumorstudiengruppe (German Testicular Cancer Study Group, GTCSG): https://www.zm-hodentumor.de/patienten.html; Zugriff am 12.05.2017.
[5] Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Hodentumoren: http://www.hodenkrebs.de/aktuelle-stellungnahmen/behandlung-in-zentren/; Zugriff am 12.05.2017.
[6] Deutsches Krebsforschungszentrum Krebsinformationsdienst (DKFZ): https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/kinderwunsch/kinderwunsch-behandlung.php#inhalt4; Zugriff am 12.05.2017.
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Zuletzt aufgerufen am: 13.12.2024 23:02