Darmkrebs – früh erkennen, individuell behandeln
Die Erforschung des menschlichen Darms ist komplex. Schließlich ist der Darm das größte innere Organ und kann bis auf eine Länge von acht Metern anwachsen, wobei seine Millionen von Darmzotten eine Oberfläche von 400 bis 500 Quadratmetern bilden [1]. Auch besiedeln den Darm eines erwachsenen Menschen mehr als 10 000 Bakterienarten [2].
Ein bösartiger Tumor dieses außerordentlich aktiven Organs, das im Laufe eines Lebens rund 30 Tonnen Nahrung und 50.000 Liter Flüssigkeit aufnimmt, gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland [3]. 2016 sind laut Schätzung des Robert-Koch-Instituts 33.400 Männer und 27.600 Frauen an einem kolorektalen Karzinom erkrankt. Damit ist Darmkrebs bei Männern die dritthäufigste und bei Frauen die zweithäufigste Tumorerkrankung [4].
Häufig lässt sich Darmkrebs, in einem frühen Stadium entdeckt, sehr gut behandeln oder sogar heilen. Patienten, bei denen die bösartige Krebserkrankung erst im fortgeschrittenen Verlauf diagnostiziert wurde, können seit einigen Jahren mit neuen Therapien behandelt werden, die gezielt gegen Strukturen im Tumor vorgehen, um sein Wachstum zu verhindern. Die Überlebenszeit hat sich dadurch deutlich verlängert.
Zielgerichtete Therapien gegen Darmkrebs
Eine Gruppe dieser „neuen“ Therapien ist die sogenannte zielgerichteteTherapie mit Antikörpern. Sie verfolgt unterschiedliche Strategien: Anti-Angiogenese-Antikörper oder Fusionsproteine hemmen im Tumor die Neubildung von Blutgefäßen – die Krebszellen können sich nicht mehr mit Nähstoffen versorgen und „verhungern“. Eine andere Gruppe von Antikörpern dockt an Rezeptoren auf den Tumorzellen an und hemmt so Mechanismen, die ihr Wachstum triggern. Der Krebs kann sich nicht weiter ausbreiten. Bereits zur Behandlung zugelassen sind die Antikörper Bevacizumab, Ramucirumab, Cetuximab und Panitumumab, sowie das Fusionsprotein Aflibercept, die in Verbindung mit einer Chemotherapie gegeben werden, wenn sich bereits Metastasen gebildet haben. Der behandelnde Arzt entscheidet aufgrund der Eigenschaften des Tumors und des Allgemeinzustandes des Patienten, welche Therapie in dieser Situation am wirksamsten ist.
So wird die Darmkrebsbehandlung immer personalisierter, d.h. es kommt immer mehr darauf an, die Therapie an die Eigenschaften des Tumors und die Situation des Patienten anzupassen. Forschungen zeigen beispielsweise, dass es selbst bei fortgeschrittenem Darmkrebs bedeutsam für die Therapiewahl ist, ob der eigentliche Tumor (Primärtumor) in der rechten oder linken Darmhälfte entstanden ist. Antikörper, die sich gegen den Tumor richten, wirken bei einem rechten oder bei einem linken Primärtumor unterschiedlich gut. Das biologische Umfeld innerhalb des Darms verursacht ein unterschiedliches Ansprechen auf die Anti-Tumor-Behandlung [5].
Immuntherapie – eine Behandlungsoption?
Ein weiteres Instrument, um gezielt gegen Krebszellen vorzugehen, ist die Immuntherapie. Mithilfe von Immuntherapien soll den körpereigenen Abwehrkräften im Kampf gegen Krebszellen auf die Sprünge geholfen werden. Sogenannte Checkpoint-Inhibitoren greifen in die Steuerung der Immunantwort gegen Krebszellen ein. An wichtigen Schaltzentralen – Checkpoints – aktivieren diese Wirkstoffe Immunzellen dazu, gegen Tumorzellen vorzugehen. PD-L1 und CTLA4-Checkpoint-Inhibitoren wie Pembrolizumab, Nivolumab und Ipilimumab sind unter anderem bereits beim Lungenkrebs und Hautkrebs zugelassen, jedoch beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom noch in der klinischen Erprobung. Studienergebnisse zeigen, dass Tumoren, die Mikrosatelliten-instabil sind, d.h. Tumoren, bei denen genetische Fehler während der DNA-Reparatur nicht korrigiert werden, „auffällige“ Proteine bilden, die stimulierend auf das Immunsystem wirken und zu einem besseren Ansprechen der Immuntherapien führen [6].
Teilnahme an Studien
Personen mit einer fortgeschrittenen Darmkrebserkrankung können an klinischen Studien teilnehmen, in denen vielversprechende Wirkstoffe gegen Krebs untersucht werden. Das Online-Portal „StudyBox“ erleichtert die Suche nach geeigneten Studien im Bereich Darmkrebs.
https://www.studybox.de/search
Weitere neue Ansätze in der Darmkrebsforschung
Ganz neue Ansätze verfolgen Forschergruppen am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden und dem Würzburger Biozentrum: Dresdner Wissenschaftler haben die Darmbakterien ins Visier genommen. Die Darmoberfläche erneuert sich ständig, wobei die Regeneration von den Stammzellen des Darms ausgeht. Die Forschergruppe hat herausgefunden, dass Bakterien in die Darmflora eindringen und ein Enzym aktivieren können, das das Stammzellwachstum und die Krebsentwicklung fördert. Daher arbeiten sie nun daran, Darmbakterien im Labor genetisch zu verändern, um die Krebsentwicklung im Darm zu beeinflussen [7].
Einen anderen Ansatz verfolgen Molekularbiologen am Würzburger Biozentrum. Sie erforschen die Entwicklung einer Substanz, die das Myc-Protein, das in den Tumorzellen in großen Mengen vorhanden ist und das ungebremste Zellwachstum unterstützt, in einem spezifischen Schritt seiner Entstehung hemmen soll. Der Wirkstoff konnte bisher nur aus dem selten vorkommenden tropischen Baum Aglaia foveolata gewonnen werden. Versuche zur Hemmung des Myc-Proteins waren bislang in Zellkulturen und an Tieren erfolgreich [8].
Aufgrund der intensiven Erforschung neuer Darmkrebstherapien ist die Sterberate in den letzten Jahren deutlich gesunken. Immer mehr Menschen überleben langfristig mit dieser Erkrankung. Vor allem ist jedoch die Früherkennung von Darmkrebs wichtig, um rechtzeitig den Krebs erfolgreich zu behandeln.
Quellen:
[1] http://www.planet-wissen.de/natur/anatomie_des_menschen/darm/
[2] http://www.pharmazeutische-zeitung.de/?id=44218
[3] http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=30819
[4] https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/darmkrebs/was-ist-darmkrebs.php#inhalt10
[6] http://www.gi-oncology.de/download/2015/Abstracts/05-03a_M+Ahler.pdf
[8] https://www.uni-wuerzburg.de/sonstiges/meldungen/single/artikel/ein-protein-mit-zwei-gesichtern/
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Zuletzt aufgerufen am: 05.11.2024 13:29