Tumorbiologie: Molekulare Charakterisierung des Brusttumors
Allein durch die Feststellung der Tumorgröße und der Ausbreitung lässt sich oft nicht hinreichend gut abschätzen, wie groß das Risiko ist, das von einem Tumor ausgeht. Molekularbiologische Untersuchungen können den jeweiligen Tumor helfen zu charakterisieren und die Gefährlichkeit besser abzuschätzen. Sie werden auch immer wichtiger für die Wahl der Therapie und führen zu zunehmend maßgeschneiderten – man sagt auch personalisierten oder individualisierten - Therapiekonzepten.
Die molekularbiologischen Tests werden an Gewebematerial vorgenommen, das bei der Biopsie oder der Tumorentfernung gewonnen wurde. Wenn die sogenannten biologischen Tumormarker („Biomarker“) dabei helfen, die Bösartigkeit des Tumors und damit die Aussichten des Krankheitsverlaufs für die Patientin abzuschätzen, so spricht man von „prognostischen Markern“. Wenn sie Hinweise dazu liefern, wie ein Tumor zielgerichtet bekämpft werden kann und welche Therapie bei welchen Patientinnen nötig oder wirksam ist, so sind es „prädiktive Marker“.
Eine Vielzahl dieser Marker sind bei den verschiedenen Krebsarten bereits identifiziert worden – Tendenz steigend. Im Folgenden stellen wir Ihnen diejenigen Biomarker vor, die derzeit bei Brustkrebs nachgewiesene Relevanz besitzen und schon außerhalb von Studien eingesetzt werden. Da auf dem Gebiet der Tumorbiologie jedoch intensiv geforscht wird und beständig neue Studienergebnisse zu erwarten sind, werden die Empfehlungen immer wieder angepasst.
Hormonrezeptor-Status
Die Hormone Östrogen und Progesteron können das Wachstum von Brustkrebszellen beeinflussen. Sie docken an Bindungsstellen (Hormonrezeptoren, HR) der Zelle an, die dann das Wachstumssignal ins Zellinnere weiterleiten.
Um zu ermitteln, ob ein Tumor hormonabhängig wächst, wird untersucht, wie groß der Anteil der Zellen und die Menge der entsprechenden Hormonrezeptoren (HR) ist. Reagiert mehr als ein Prozent aller Tumorzellen auf das spezielle Markierungsverfahren, geht man davon aus, dass der Tumor hormonempfindlich ist. Ausgedrückt wird dies durch die Angabe ER+ (Östrogenrezeptor-positiv) und/oder PgR+ (Progesteronrezeptor-positiv). Etwa 75 Prozent der Brustkrebspatientinnen werden positiv getestet für den Östrogenrezeptor. Sobald einer der beiden Rezeptortypen positiv ist, spricht man von Hormonrezeptor-positiv (HR+).
Wenn Tumorzellen hormonabhängig wachsen, bedeutet dies andererseits, dass sich ihr Wachstum durch Hormonentzug verlangsamen oder stoppen lässt. Es kann dann eine (Anti-) Hormontherapie bzw. endokrine Therapie durchgeführt werden und mitunter auf eine Chemotherapie verzichtet werden.
HER2-Rezeptor-Status
HER2-Rezeptoren sind Bindungsstellen für Wachstumsfaktoren an der Oberfläche der Krebszellen, die diese zur Teilung anregen. Sind auf der Zelloberfläche besonders viele HER2-Rezeptoren vorhanden, geht dies oft mit einem aggressiveren Verlauf der Krebserkrankung einher. Etwa 15 Prozent der neu diagnostizierten Brustkrebspatientinnen haben HER2-positive Turmoren (HER2+). Gezielte, gegen HER2 gerichtete Therapien blockieren diese Rezeptoren und hemmen damit das Zellwachstum.
Tumore, die weder Hormonrezeptoren noch HER2 besitzen, werden als Triple-negativ (HER2-negativ, HR-negativ) bezeichnet.
Ki-67
Der Zellteilungs-Marker Ki-67 gibt Aufschluss darüber, wie schnell der Tumor wächst. Das ist ebenfalls für die Risikoabschätzung sehr wichtig. Wenn 10 Prozent oder weniger eines Tumors Ki-67-positiv sind, beurteilt man das Risiko als niedrig, bei mehr als 25 Prozent besteht ein hohes Risiko.
Molekulare Subtypen
Ende der 90er Jahre wurden Mammakarzinome molekulargenetisch untersucht und in unterschiedliche Subtypen unterteilt. Diese Subtypen sind mit einer unterschiedlichen Prognose verbunden und sagen außerdem vorher, wie der Tumor auf die verschiedenen Therapiekonzepte anspricht. Unter Verwendung des HER2-Status, des Hormonrezeptorstatus (HR) und des Proliferationsmarkers Ki-67 hat man eine alternative Klassifikation gefunden. Diese wird gelegentlich verwendet, ist aber nicht allgemein gebräuchlich.
- Luminal A (HR-positiv, HER2-negativ, Ki-67 niedrig),
- Luminal B (HR-positiv, HER2-negativ, Ki-67 hoch),
- HER2-Subtyp (HER2-positiv) und
- Triple-negativ (HER2-negativ, HR-negativ).
Multigentests zur Risikoabschätzung
Tumorzellen können eine Vielzahl von Veränderungen von Genen aufweisen, die zu einer Unter- oder Überproduktion (Expression) bestimmter Eiweiße führen. Mit Hilfe eines Genexpressionsprofils (auch: Gensignatur, Genprofil) aus Gewebeproben können gleichzeitig zahlreiche Genexpressions-Veränderungen untersucht werden. Aus diesen Daten wird das individuelle Risiko, ein Rezidiv zu erleiden (Rückfallrisiko), berechnet – der sogenannte „Recurrence Score“. Dieser Score bietet eine Entscheidungshilfe, ob bei einer Hormonrezeptor-positiven Patientin eventuell auf eine Chemotherapie verzichtet werden kann. Bereits in Studien getestete und zugelassene Multigentests sind OncotypeDX™, Endopredict™, Prosigna™, und Mammaprint™. Fachgesellschaften empfehlen ihren Einsatz, wenn dadurch ein klarer Nutzen im Sinne einer Therapieentscheidung entsteht. Sie werden unter bestimmten Voraussetzungen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.
Weitere molekulare Tests, die vor dem Einsatz bestimmter zielgerichteter Therapien, insbesondere in der metastasierten Situation, erforderlich sind:
PD-L1-Expression
PD-L1 (englisch: programmed death ligand 1) sind Oberflächenproteine, die die Immunantwort modifizieren können. Sind sie auf der Oberfläche von Krebszellen übermäßig vorhanden, so hemmen sie die Abwehr des Immunsystems gegen die Krebszellen. Synthetisch hergestellte Antikörper, die spezifisch an PD-L1 binden, können wiederum diese Hemmung aufheben und das Immunsystem kann wieder aktiv gegen die Krebszellen vorgehen. Man spricht hier von einer Immuntherapie und die spezifischen Antikörper werden Checkpoint-Inhibitoren genannt. Sie sind allerdings meist nur gut wirksam gegen den Tumor, wenn dieser tatsächlich eine hohe Konzentration von PD-L1 aufweist. Daher muss dies vor dem Einsatz getestet werden. Dies spielt nur in der metastasierten Situation eine Rolle, wenn diese Therapien infrage kommen.
BRCA-Genmutationen
Die Gene BRCA1 und BRCA2 (BRCA=Breast Cancer) sind bei einigen Frauen mit genetisch familiärer Vorbelastung mutiert. Sie haben ein besonders hohes Risiko Brustkrebs zu bekommen. Die Veränderung in den BRCA-Genen kann aber auch genutzt werden, um den Krebs gezielt mit sogenannten PARP-Inhibitoren zu behandeln. Für deren Einsatz ist aber ein Nachweis einer solchen Mutation zwingend notwendig.
PIK3CA-Genmutation
Die Tyrosinkinase PI3K ist ein wichtiger Kontrollpunkt der Zellen für Zellwachstum und -teilung. Das Gen PIK3CA kodiert für eine Untereinheit dieser Kinase. Bei bestimmten Veränderungen – Mutationen – in diesem Gen wird die Kinase dauerhaft aktiv und unkontrolliertes Zellwachstum ist die Folge. Ein PI3K-Inhibitor - zugelassen ist der Wirkstoff Alpelisib - kann jedoch die Kinase gezielt hemmen. Voraussetzung für den Einsatz der Substanz ist der Nachweis einer PIK3CA-Mutation.
Quellen:
[1] AGO Empfehlungen „Diagnosis and Treatment of Patients with Primary and Metastatic Breast Cancer”, Stand: April 2022: https://www.ago-online.de/leitlinien-empfehlungen/leitlinien-empfehlungen/kommission-mamma
[2] Patientenratgeber zu den Empfehlungen der AGO Kommission Mamma, Stand: 2022: https://www.ago-online.de/fileadmin/ago-online/downloads/AGO_Brustkrebs_2019.pdf
[3] Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Langversion 4.4, Stand: Juni 2021: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/mammakarzinom/
Fachliche Beratung
Prof. Dr. med. Diana Lüftner ist ärztliche Leitung und Chefärztin der Immanuel Klinik Märkische Schweiz mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie. Ihr Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet der soliden Tumore, insbesondere des Mammakarzinoms in allen Erkrankungsstadien, der gastrointestinalen Tumore sowie der Supportivtherapie.
Immanuel Klinik Märkische Schweiz
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Prof. Dr. med. Volkmar Müller ist Stellvertretender Klinikdirektor mit Leitung der konservativen gynäkologischen Onkologie und der onkologischen Tagesklinik im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Er ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtenhilfe mit Schwerpunkt Palliativmedizin und Medikamentöse Tumortherapie.
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
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Prof. Dr. med. Anton Scharl ist Direktor der Frauenklinik der Kliniken Nordoberpfalz AG. Er leitet zudem das zertifizierte Brustzentrum und das Perinatalzentrum.
Kliniken Nordoberpfalz AG
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Zuletzt aufgerufen am: 08.11.2024 12:56