Bitte beachten Sie, dass Texte, die älter als 2 Jahre sind, sich in der Überarbeitung befinden und gegebenenfalls nicht den aktuellen wissenschaftlichen Stand wiedergeben.

Angaben zum Autor, Fachberater und Erstelldatum finden Sie am Ende des Beitrages.

Seltene Krebsarten – Stiefkind der Krebsforschung?

Quelle: © Ravil Sayfullin Fotolia.com

Eine seltene Krebsart bringt nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte an ihre Grenzen. Dabei sind seltene Krebsarten gar nicht so selten wie die Bezeichnung vermuten lässt. Rund 100.000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an einer seltenen Krebserkrankung. [1]Praktisch alle Krebserkrankungen bei Kindern gelten als selten. Diagnose und Therapie dieser Krankheiten gestalten sich allerdings oft schwierig. Welche Probleme und welche Lösungsansätze es hier gibt, erfahren Sie in unserem Schwerpunkt-Thema. Außerdem stellen wir die wichtigsten seltenen Krebsarten sowie unterstützende Initiativen für Patienten mit einer seltenen Krebsart vor.

Was sind seltene Krebsarten?

Obwohl seltene Krebsarten rund 20 Prozent aller Krebserkrankungen ausmachen [2], ist die Anzahl der Patienten mit einer bestimmten seltenen Krebserkrankung wiederum sehr klein. Denn die Erkrankungen teilen sich in über 198 einzelne Krebsarten auf.[3] In einer Auflistung des US-Gesundheitsministeriums finden sich sogar über 500 seltene Krebsarten (inklusive ihrer Unter-Arten) wieder. [4]

Als „selten“ gelten nach einer EU-Definition alle Krebsarten, an denen jährlich weniger als 5 von 10.000 Menschen erkranken. [5] Somit gehören praktisch alle Fälle von Krebs bei Kindern zu den seltenen Krebsarten [6].

Zu den seltenen Krebserkrankungen gehören unter anderem:


Warum bestimmte Organe nur sehr selten bösartige Veränderungen ausbilden, andere dagegen häufiger, gibt Wissenschaftlern immer noch Rätsel auf. Möglicherweise ist Gewebe, das sich wie z. B. im Darm häufig selbst erneuert, vergleichsweise anfälliger für Krebs. Ausschlaggebend für die Krebshäufigkeit ist nach dieser Theorie die Zellart und Teilungsrate von Stammzellen in unterschiedlichen Organen. [8]

Probleme und Herausforderungen

Quelle: © jovannig - fotolia.com

Bei einem Knoten in der Brust liefert eine Mammografie schnell erste Hinweise, ob es sich um einen Brustkrebs handeln könnte. Eine anschließende Gewebeuntersuchung bestätigt oder entkräftet den Verdacht. Anders sieht das zum Beispiel beim Osteosarkom (häufig als Knochenkrebs bezeichnet) aus, an dem pro Jahr in Deutschland rund 200 Menschen erkranken [9]. Wer denkt schon bei Knochenschmerzen an Krebs? Patienten mit einer seltenen Krebserkrankung haben deshalb oft eine lange Odyssee hinter sich bis ihre Erkrankung diagnostiziert ist.

Und damit nicht genug: Für manche dieser Patienten stehen bislang keine standardisierten Therapieempfehlungen zur Verfügung. Es gibt jedoch Ansätze, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Im Bereich der Kinder-Onkologie gibt es mittlerweile für die meisten bösartigen Erkrankungen sogenannte „multizentrische Therapie-Optimierungsstudien“. Im Rahmen dieser Studien werden die Patienten nach einheitlichen Kriterien diagnostiziert, behandelt, und alle Schritte werden nach einem festgelegten Schema dokumentiert. Die Auswertung der Studien hat dazu geführt, dass sich die die langfristigen Behandlungsaussichten dieser Patienten stark verbessert haben [10]. Um die Situation für Kinder und Jugendliche mit seltenen Tumoren, die nicht im Rahmen der Therapieoptimierungsstudien erfasst werden, zu verbessern, wurde 2012 das Register zu seltenen Tumoren in der Pädiatrie etabliert. Im Rahmen dieses Registers werden wissenschaftliche Studien zu seltenen Tumoren und zur Erblichkeit von Tumorerkrankungen im Kindes- und Jugendalter durchgeführt. [10]

Orphan Drugs: Medikamente zur Behandlung seltener Krankheiten

Quelle: © Mark Carrel - fotolia.com

Neben der schwierigen Diagnosestellung und den fehlenden Standardtherapien gibt es bei seltenen Krebserkrankungen noch ein weiteres Problem: Es gibt nur wenige, manchmal sogar keine Medikamente dagegen. „Pharmafirmen entwickeln gegen seltene Erkrankungen weniger Medikamente als gegen häufige, weil sich das aufgrund der kleinen Patientenzahl finanziell nicht lohnt“, erklärt Prof. Alwin Krämer, Sprecher des Zentrums für seltene Krebserkrankungen am Universitätsklinikum Heidelberg, in einer Veröffentlichung des Deutschen Krebsforschungszentrums. [11] Außerdem ist es nicht leicht, unter den wenigen, die an einer seltenen Krebsart leiden, genug Teilnehmer für eine Zulassungsstudie zu finden.

Um die Entwicklung von Medikamenten gegen seltene Erkrankungen – sogenannte Orphan Drugs - zu fördern, hat die europäische Arzneimittelbehörde EMA Anreize für die Firmen geschaffen – z. B. administrative und finanzielle Unterstützung und eine zehnjährige Marktexklusivität, die Wettbewerber vom Markt fern hält. [12]

Behandlungsmöglichkeiten im Rahmen von Studien

Quelle: © SydaProductions - fotolia.com

Um Zugang zu den besten Behandlungsmöglichkeiten und zu aktuellen Studien zu bekommen, ist es ratsam, sich möglichst an ein großes Krebszentrum zu wenden. Das Portal oncomap.de [Link zu http://oncomap.de/index.php] bietet die Möglichkeit, sich ein Krebszentrum in der Nähe des Wohnortes anzeigen zu lassen. Informationen zu laufenden Studien sind auch über das Deutsche Register Klinischer Studien (DRKS) zu finden; das Register ist allerdings nicht krebsspezifisch. http://drks-neu.uniklinik-freiburg.de/drks_web/. Einen Zugang zu Studien, die in der EU-Datenbank EudraCT eingetragen sind (European Union Drug RegulatingAuthorities Clinical Trials) bietet das europäische Register für klinische Untersuchungen
https://www.clinicaltrialsregister.eu/ctr-search/search;jsessionid=kVYu1v69RJ8POvT2NYoOEEo0cQqiFzQ1Z5spo6dD-XqbDvlAWHRm!-774786170. Die Gesellschaft der Pädiatrischen Onkologie (GPOH) unterhält ein Studien-Portal zu Krebs bei Kindern und Jugendlichen.
http://www.kinderkrebsinfo.de/patienten/forschung/index_ger.html.

Manchmal ist es auch der Fall, dass seltene Tumoren auf Medikamente ansprechen, die für andere Krebsarten zugelassen sind. Bei Therapien mit solchen Medikamenten spricht man von Off-Label-Use oder zulassungsüberschreitender Anwendung. Ob ein Medikament im Off-Label-Use in Frage kommt entscheidet der Arzt im Einverständnis mit dem Patienten. Grundsätzlich ist eine Erstattung dieser Medikamente durch die Krankenkasse möglich wenn ein sogenannter Unmet Medical Need vorliegt: Typischerweise handelt es sich hier um eine Anwendung bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung, bei der keine andere Therapie zur Auswahl steht. Außerdem sollte für eine Erstattung in der einschlägigen Fachliteratur Eivernehmen darüber herrschen, dass der Off-Label-Einsatz auch in der beabsichtigten Indikation einen Nutzen bieten wird. Es empfiehlt sich, die Kostenübernahme durch die Krankenkasse individuell zu klären.

Angebote für Patienten mit seltenen Krebserkrankungen

Wer von einer seltenen Krebserkrankung betroffen ist, ist auf kompetente Beratung angewiesen. Diese Organisationen bieten Informationen und Unterstützung für Patienten mit einer seltenen Krebserkrankung an:

  • Das Lebenshaus:
    Das Lebenshaus ist eine gemeinnützige Organisation für Patienten mit seltenen soliden Tumoren (v. a. GIST, Sarkome, Nierenkrebs). http://www.daslebenshaus.org/
  • Achse – Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen
    Die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) ist ein Netzwerk von Selbsthilfeorganisationen, das seltene Erkrankungen stärker in das Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit rücken möchte. Sie bietet zudem eine Betroffenen- und Angehörigenberatung: http://www.achse-online.de/de/was_tut_ACHSE/unterstuetzen.php

 

Gebündelte Informationen finden Sie auf diesen Portalen:

  • Orphanet
    Das Portal für seltene Krankheiten und Orphan Drugs bietet neben Informationen u .a. die Möglichkeit, nach Forschungsprojekten und Studien zum Thema zu suchen.
    http://www.orpha.net/consor/cgi-bin/index.php?lng=DE
  • Kinderkrebsinfo.de
    Die Seite bietet umfassende Informationen zum Thema Krebs bei Kindern. Angesprochen sind alle Betroffenen, besonders Patienten und Angehörige, ebenso wie Ärzte und Wissenschaftler.
    http://www.kinderkrebsinfo.de
  • ZIPSE
    Das zentrale Informationsportal über seltene Erkrankungen (ZIPSE) will Betroffenen dabei helfen, Informationen über Krankheitsbilder von diagnostizierten seltenen Erkrankungen zu finden indem sie bestehende Informationsanbieter klassifiziert und auflistet.
  • https://www.portal-se.de/

 

(pin)

 

Quellen:
[1] http://www.daslebenshaus.org/aktuelles/entry/seltene-krebsarten-ein-grosse-herausforderung-in-allen-gesundheitssystemen-europas-2

[2] http://www.rarecancerseurope.org/Events/Past-Events/EP-Meeting-Orphan-Drugs-for-Rare-Cancers

[3] http://www.rarecancerseurope.org

[4] https://rarediseases.info.nih.gov/diseases/diseases-by-category/1/rare-cancers

[5] http://www.rarecancerseurope.org/About-Rare-Cancers

[6] http://www.pharmazeutische-zeitung.online/index.php?id=33774

[7] http://www.dkfz.de/de/presse/veroeffentlichungen/einblick/download/2013/EINBLICK_02_2013.pdf

[8] http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/krebs-warum-brustkrebs-haeufiger-ist-als-tumore-im-herzen-a-1106791.html

[9] RKI, Datenbankabfrage

[10] http://www.kinderklinik.uk-erlangen.de/forschung-und-lehre/wissenschaftliche-studien/step/

[11] http://www.dkfz.de/de/presse/veroeffentlichungen/einblick/download/2013/EINBLICK_02_2013.pdf

[12] https://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/artikel-wirtschaft-politik/was-der-orphan-drug-status-fuer-ein-medikament-bedeutet.html

 

Letzte inhaltliche Aktualisierung: 26.01.2017

Mehr zum Thema Leben mit Krebs:

Zuletzt aufgerufen am: 11.12.2024 15:50