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Erblicher Brustkrebs – Wenn der Krebs in den Genen liegt

Quelle: Sebastian Kaulitzki © Fotolia

Als Angelina Jolie sich aufgrund eines stark erhöhten Risikos für genetisch bedingten Brustkrebs beide Brüste entfernen ließ, löste dies einen Ansturm an Nachfragen auch an deutschen Kliniken und Brustzentren aus: Bin ich betroffen? Wie kann ich ein erhöhtes Risiko feststellen? Und wie gehe ich mit der Diagnose „erblicher Brustkrebs“ um? Bietet nur die Brustamputation ausreichend Schutz vor Krebs?

Auch knapp ein Jahr nach Bekanntwerden von Jolies vorsorglicher Brustamputation ist der Beratungsbedarf groß. „Die Welle ist noch nicht abgeebbt“, sagt Nanette Kalmbach, die an der Berliner Charité die Beratungshotline betreut. „Das Telefon steht nie still.“ Durch das große Medienecho, das das Thema ausgelöst hat, seien offenbar viele Frauen für dieses Thema sensibilisiert worden.

Was ist erblicher Brustkrebs, und wie häufig tritt er auf?

Brustkrebs ist keine seltene Diagnose, mittlerweile wird die Zahl der Neuerkrankungen auf ca. 75.000 für das Jahr 2014 in Deutschland geschätzt [1]. Bei etwa einem Viertel aller Frauen mit Brustkrebs treten vermehrt Brustkrebsfälle in der Familie auf. Dies kann auf eine genetische Ursache hinweisen. Jedoch nur in 5 bis maximal 10% aller Brustkrebsfälle lässt sich ein krankheitsauslösendes Gen nachweisen. Dann spricht man von erblich bedingtem Brustkrebs. Zu den schon länger bekannten sogenannten Brustkrebsgenen zählen BRCA 1 und BRCA 2, in letzter Zeit wurden weitere entdeckt (z.B. RAD51C) [2].

 

Tab. 1: Wahrscheinlichkeit für den Nachweis von Veränderungen in BRCA-1-/BRCA-2-Genen in Abhängigkeit von der familiären Belastung mit Brustkrebs- und/oder Eierstockkrebs [3], Quelle: ineula © Fotolia

Welche Krankheitsrisiken gibt es für Trägerinnen des Brustkrebsgens?

Frauen mit Hochrisikogenen für Brustkrebs erkranken etwa 20 Jahre früher als Frauen ohne Risiko und haben ein lebenslanges Risiko von 50-80% an Brustkrebs zu erkranken, eine Wahrscheinlichkeit von 60%, dass auch die Brust der Gegenseite erkrankt sowie ein Risiko von 10-40% an Eierstockkrebs zu erkranken.

Wann ist ein Brustkrebs-Gentest sinnvoll?

Liegen bestimmte Erkrankungskonstellationen in einer Familie vor, empfehlen Experten, dass diesen Frauen eine ausführliche Beratung und eine genetische Testung in speziellen Zentren angeboten wird [2].
Für den genetischen Test wird etwas Blut entnommen und dieses auf die bekannten Genveränderungen untersucht. Ein positives Testergebnis sagt jedoch weder aus, ob Brustkrebs sicher auftreten wird noch wie der Erkrankungsverlauf sein wird. Es besagt nur, dass ein deutlich erhöhtes Risiko vorliegt, an Brust- und/oder Eierstockkrebs zu erkranken. Ein negatives Testergebnis wiederum „schützt“ nicht vor Brustkrebs, es kann trotz des fehlenden Nachweises von typischen Genveränderungen ein erhöhtes familiäres Brustkrebsrisiko vorliegen.

Familiäre Risikokonstellationen, bei denen ein Beratungsgespräch und ein Gentest empfohlen werden [2]:

Familien (entweder mütterlicherseits oder väterlicherseits) mit Erkrankung von mindestens:

  • 3 Frauen an Brustkrebs*
  • 2 Frauen an Brustkrebs, davon 1 Erkrankung < 51. Lebensjahr
  • 1 Frau an Brustkrebs und 1 Frau an Eierstockkrebs*
  • 2 Frauen an Eierstockkrebs*
  • 1 Frau an Brust- und Eierstockkrebs*
  • 1 Frau an Brustkrebs ≤35 Jahren
  • 1 Frau mit beidseitigem Brustkrebs ≤50 Jahren
  • 1 Mann an Brustkrebs und 1 Frau an Brust- oder Eierstockkrebs*

*unabhängig vom Alter

Wie sicher schützt die Brustamputation vor erblichem Brustkrebs?

Quelle: Sebastian Kaulitzki © Fotolia

Als einzige risikoreduzierende Methode bei gesunden Frauen mit Nachweis von Brustkrebsgenen steht bislang nur die vorsorgliche Abnahme beider Brüste (Mastektomie, Brustamputation) zur Verfügung. Experten empfehlen, diesen Eingriff den Betroffenen anzubieten, ebenso – aufgrund des erhöhten Eierstockkrebsrisikos – die Entfernung beider Eierstöcke (meist um das 40. Lebensjahr bzw. nach Abschluss der Familienplanung).

Die vorsorgliche Brustamputation senkt das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, um mehr als 95%, und das Risiko, in der Folge an Brustkrebs zu versterben, um 90%. Ein sehr geringes Restrisiko bleibt aber immer. Die Brustentfernung hat keinen Einfluss darauf, einen Eierstockkrebs zu entwickeln, dieses Risiko bleibt erhalten. Hier reduziert nur die vorsorgliche Entfernung beider Eierstöcke die Wahrscheinlichkeit, an Eierstockkrebs zu erkranken. Die Risikoreduktion liegt bei 97%; gleichzeitig wird durch diesen Eingriff aber auch das Brustkrebsrisiko um 50% gesenkt. Da in den Eierstöcken die weiblichen Geschlechtshormone produziert werden, muss eine Hormonersatztherapie bei Entfernung erfolgen, andernfalls setzen die Wechseljahre ein. Vor jeder Vorsorge-Operation ist eine umfassende Aufklärung und Risikokalkulation erforderlich. Berücksichtigt wird dabei u.a. das betroffene Gen. [2]

Wie erfolgt die vorsorgliche Brustentfernung?

Bei der prophylaktischen Brustamputation wird die Brustdrüse aus dem umgebenden Hautmantel „ausgeschält“. Die Brustwarze und die Haut bleiben erhalten. Die gängigste Methode ist es, dann ein Silikonimplantat unter dem Brustmuskel als Ersatz einzusetzen.

Intensive Früherkennung – eine Alternative zur prophylaktischen Brustentfernung?

Die Amputation beider Brüste ist nicht der einzige Weg für gesunde Frauen mit einer familiären Brustkrebsbelastung umzugehen. Mit einer intensiven Früherkennungsuntersuchung (Tab. 3) lässt sich Brustkrebs zwar nicht – wie bei der Brustamputation – verhindern, aber in einem sehr frühen Tumorstadium diagnostizieren und therapieren. Die Früherkennung sollte nur in auf familiären Brust- und Eierstockkrebs spezialisierten Zentren durchgeführt werden.

Aufgrund des deutlich jüngeren Erkrankungsalters von Frauen mit familiärem Brustkrebs müssen diese Maßnahmen deutlich früher beginnen als für die Allgemeinbevölkerung üblich. Empfohlen wird, ab dem Alter von 25 Jahren mit dem Programm zu beginnen oder 5 Jahre vor dem frühesten Erkrankungsalter in der Familie. Wird Brustkrebs im Frühstadium entdeckt, liegen die Heilungschancen bei 85%. Für Eierstockkrebs existieren aktuell keine Früherkennungsprogramme, mit denen sich Eierstockkrebs sicher rechtzeitig diagnostizieren lässt. [2]

Zu den Früherkennungsmaßnahmen bei Frauen mit hohem familiärem Risiko zählen [4]:

Diagnose Brustkrebs – wie geht es weiter?

Entwickelt eine Frau mit genetischer Brustkrebsveranlagung eine Brustkrebserkrankung, so erfolgt die Therapie in der Regel nach den Empfehlungen, wie sie für Brustkrebspatientinnen ohne erhöhtes Erkrankungsrisiko gelten. Die Behandlung sollte am besten in zertifizierten Brustzentren erfolgen, dort arbeiten viele Spezialisten, wie Frauenärzte, Radiologen, Onkologen, Pathologen und Psychoonkologen eng zusammen und erstellen einen individuellen Therapieplan für die Patientin.

Brustamputation oder intensive Früherkennung – was ist die richtige Entscheidung?

Die schwierige Entscheidung, sich die Brüste vorsorglich abnehmen zu lassen oder an intensiven Früherkennungsprogrammen teilzunehmen, müssen die Betroffenen selbst treffen. Diese Entscheidung, ob die psychischen Belastungen einer halbjährlichen Früherkennungsuntersuchung leichter zu ertragen sind als die seelischen und körperlichen Belastungen einer vorsorglichen Brustentfernung, ist sehr persönlich. Ärzte können nur umfassend aufklären. Die prophylaktische Brustamputation senkt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Brustkrebs deutlich, jedoch scheinen im Langzeitverlauf beide Verfahren die Sterblichkeit gleichermaßen zu senken, so dass sie im Endeffekt als gleichwertig angesehen werden können.


Weitere Informationen:

Interview mit Prof. Marion Kiechle:
Prof. Kiechle ist Direktorin und ärztliche Leiterin der Frauenklinik des Klinikums rechts der Isar, TU München. Im Interview erläutert Prof. Kiechle weitere Details zu erblichem Brustkrebs. Dabei geht sie auch darauf ein, wer sich testen lassen sollte und was Frauen bei einem positiven Testergebnis machen sollten. 

Aktuelle Studie:
Lebensstil-Intervention bei Frauen mit erblichen Brust- und Eierstockkrebs (LIBRE-Studie)
In der LIBRE-Studie wird derzeit überprüft, ob bei Frauen mit erblicher Veranlagung für Brust- und Eierstockkrebs durch eine Lebensstil-Umstellung (z.B. mehr körperliche Aktivität, gesunde Ernährung) das Auftreten des Krebses reduziert oder verhindert werden kann.
Flyer mit weiteren Informationen als PDF herunterladen.

Unterstützung bietet auch:
BRCA-Netzwerk zur Hilfe bei familiärem Brustkrebs und Eierstockkrebs: http://www.brca-netzwerk.de

 

Prof. Marion Kiechle im Interview

Quelle: © dkg-web.gmbh

Frau Prof. Kiechle ist Direktorin und ärztliche Leiterin der Frauenklinik des Klinikums rechts der Isar, TU München. Im Interview erläutert Prof. Kiechle weitere Details zu erblichem Brustkrebs. Dabei geht sie auch darauf ein, wer sich testen lassen sollte und was Frauen bei einem positiven Testergebnis machen sollten.

 

(lb)

 

Quellen:

[1] Zentrum für Krebsregisterdaten. Brustkrebs.
http://www.rki.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Brustkrebs/brustkrebs_node.html. Abgerufen am 17.01.2014.
[2] Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. Langversion 3.0, Aktualisierung 2012. Abgerufen am 17.01.2014.
[3] Eeles RA. Future possibilities in the prevention of breast cancer: intervention strategies in BRCA1 and BRCA2 mutation carriers. Breast Cancer Res 2000; 2: 283-290.
[4] Empfehlungen der AGO. Guidelines Breast Version 2013.1D. www.ago-online. Abgerufen am 17.01.2014.

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 04.05.2017

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Zuletzt aufgerufen am: 19.03.2024 10:42