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Biomarker: Basis für die personalisierte Krebsmedizin

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Krebstherapien sind heute meist individuell auf den Patienten und die Charakteristika seiner Erkrankung zugeschnitten. Damit eine Therapie überhaupt individuell angepasst werden kann, sind Biomarker von entscheidender Bedeutung. Doch was genau sind Biomarker eigentlich? Und warum sind sie gerade in der Krebsmedizin von so großem Interesse?

Generell gesagt sind Biomarker messbare biologische Merkmale, die als Referenzpunkte für Gesundheit oder Krankheit herangezogen werden können. In der Medizin kommen sie im Grunde schon seit der Antike zum Einsatz. Bei einer Urinanalyse kann zum Beispiel anhand von Geruch und Aussehen auf bestimmte Krankheiten geschlossen werden. Ein weiterer bekannter Biomarker ist der Blutdruck, denn erhöhter oder niedriger Blutdruck kann auf bestimmte Krankheitsbilder hinweisen.

Biomarker unterstützen eine zunehmende Individualisierung der Patientenbehandlung in der Krebstherapie

Lange ist bekannt, dass nicht jeder Patient gleich gut auf eine Krebstherapie anspricht. Zum Beispiel profitieren manche Brustkrebspatientinnen stark von einer Chemotherapie, andere wiederum nicht. Biomarker können hier bereits im Vorfeld wichtige Hinweise geben. In der Onkologie ist die Bestimmung von Biomarkern deshalb meist ein fester Bestandteil von Diagnose und Behandlung:

Krebszellen zeichnen sich gegenüber gesunden Zellen durch Genveränderungen aus, die trotz gleicher Krebsart von Patient zu Patient unterschiedlich sein können. Von besonderem Interesse in der Krebstherapie sind die Gene, die das Wachstum von Krebszellen beeinflussen.

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In Blut-oder Gewebeproben können Veränderungen in der Ausprägung oder der Menge bestimmter Gene oder Genprodukte molekularbiologisch bestimmt und als Biomarker verwendet werden. Ein solcher Biomarker gibt Auskunft über die speziellen Eigenschaften des Tumors. Basierend auf den zuvor bestimmten Eigenschaften können zielgerichtete Therapien passend für den Patienten ausgewählt werden. Solche Therapien (targeted therapies) richten sich gezielt gegen diese besonderen Tumoreigenschaften und können das Wachstum der Tumorzellen hemmen. Zielgerichtete Therapien kommen daher nicht (wie bisher z.T. die Chemotherapie) mit dem Gießkannenprinzip bei allen Patienten zum Einsatz, sondern nur dann, wenn der Tumor über die entsprechende genetische Zielstruktur verfügt.

Für die Behandlung von Krebserkrankungen sind vor allem prognostische und prädiktive Marker von Bedeutung:

  • Prognostische Biomarker liefern Hinweise auf den zu erwartenden individuellen Verlauf der Erkrankung. Dementsprechend kann die Behandlungsstrategie gewählt werden. Beim Prostatakarzinom gelten ein niedriger Ausgangswert des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) und ein im Krankheitsverlauf langsamer PSA-Anstieg als prognostisch günstig. Es gilt dann als wahrscheinlich, dass sich das Prostatakarzinom nur langsam weiterentwickelt und das Risiko für Metastasen gering ist.
  • Prädiktive Biomarker inkl. therapeutischer Zielstrukturen ermöglichen Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Therapie bei einem Patienten wirksam ist und helfen, die individuell geeignete Therapieoption auszuwählen. Diese kann sich je nach Vorliegen eines bestimmten Biomarkers unterscheiden. Prädiktiv sind beispielsweise sind die Ausprägungen von Genen der RAS-Familie im Tumorgewebe von Darmkrebspatienten. Vor der Therapie mit einem EGFR-Antikörper wird beispielsweise das KRAS-Gen untersucht. Nur wenn dieses Gen keine Veränderung aufweist (was bei rund 60 Prozent der Patienten der Fall ist) kann eine Therapie mit einem gegen den EGF-Rezeptor gerichteten Antikörper erfolgreich verlaufen.

Eine klare Abgrenzung zwischen prognostischen und prädiktiven Markern ist nicht immer möglich. Bei Brustkrebspatientinnen wird routinemäßig das Vorhandensein besonders vieler oder das Fehlen von Genkopien des HER2/neu-Rezeptors (ERBB2) getestet. Der so erhobene HER2/neu-Status stellt also zunächst einen prognostischen Biomarker dar, da Nachweis übermäßig vieler HER2-Rezeptoren oftmals von einem aggressiven, ungünstigeren Krankheitsverlauf begleitet ist. Gleichzeitig besteht jedoch mittelweile für diese Patientinnen die Option einer wirksamen zielgerichteten Therapie, die sich gegen den HER2/neu Rezeptor richtet. In diesem Sinne ist der HER2/neu-Status gleichzeitig prädiktiv und verbessert die Prognose der betroffenen Patientinnen.

Fortschritte in der Biomarker-Identifizierung

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In den letzten Jahren ist die Zahl der neu definierten Biomarker rasant gestiegen. Dies ist den enormen Fortschritten vor allem in der DNA-Sequenzierung zu verdanken. Gerade in der Krebsforschung ist diese Entwicklung von besonderer Bedeutung. Die molekulare Testung hat bei vielen Indikationen bereits Einzug in den klinischen Alltag genommen – z.B. bei Lungenkrebs:

Für Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) werden Mutationstests an Gewebeproben vorgenommen, bevor über eine Therapie entschieden wird. Die histologische Untersuchung dieser Tumoren zeigt in der Regel das Bild eines Adenokarzinoms. Zur Behandlung von Patienten mit einer EGFR- oder BRAF-Mutation oder einer ALK-Gendusion sind bereits Medikamente zugelassen. Bei etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Patienten in Europa wird eine Veränderung des EGFR-Gens nachgewiesen, was zu verstärktem Tumorwachstum führt. Es gibt bereits zugelassene, zielgerichtete Wirkstoffe, sogenannte EGF-Tyrosinkinase-Hemmer, die das Tumorwachstum hinauszögern können.

Bei drei bis fünf Prozent der NSCLC-Patienten liegt eine sogenannte ALK-Fusion vor. Dabei ist das ALK-Gen durch eine Fusion mit einem weiteren Gen dauerhaft aktiviert und kann ein Lungenkarzinom auslösen. Auch hierfür gibt es eine zielgerichtete Therapie. Mittlerweile stehen eine Reihe von ALK-Inhibitoren zur Verfügung, die das Tumorwachstum für einige Zeit aufhalten. Auch die Lebensqualität der Patienten verbessert sich durch die zielgerichtete Therapie im Vergleich zu einer Chemotherapie.

Biomarker in der Früherkennung

Ein Beispiel für einen Biomarker, der zur Früherkennung herangezogen wird, ist der PSA-Wert (PSA = prostataspezifisches Antigen). Der Test zur Früherkennung von Prostatakrebs erkennt bereits kleinste PSA-Mengen im Blut. Jedoch reagiert er auch wenn der PSA-Wert nicht durch eine Krebserkrankung, sondern durch eine Entzündung oder gutartige Veränderung erhöht vorliegt. Dies sollte man bedenken, bevor man sich für einen PSA-Test entscheidet. Denn viele Tumore werden so zwar im Frühstadium erkannt und behandelt, geschätzt die Hälfte der Tumore würden aber wahrscheinlich nie Probleme bereiten und könnten unbehandelt bleiben.

Biomarker geben Wahrscheinlichkeiten an

Trotz der großen Bedeutung von Biomarkern in der Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen, ist es doch wichtig zu berücksichtigen, dass sie nur statistische Wahrscheinlichkeiten angeben. Abschließende Vorhersagen bezüglich eines individuellen Krankheitsverlaufs sind auch mit Biomarkern nicht möglich. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass eine Krebserkrankung und ihre Prognose von vielen weiteren Faktoren beeinflusst wird, z. B. Vorerkrankungen, weitere Erkrankungen, Risikofaktoren, Alter oder der Allgemeinzustand des Patienten.

Obwohl es mittlerweile auf Biomarkern basierende erfolgreiche Behandlungsstrategien gibt, lassen sich Tumorwachstum und Ausbreitung zur Zeit oftmals nicht komplett aufhalten. Dies hat verschiedene Gründe, die mit der Biologie des Tumors zusammen hängen. So weisen Tumorerkrankungen meist mehrere molekulare Veränderungen auf, die z. T. noch unbekannt sind oder für die es noch keine geeigneten Behandlungsmöglichkeiten gibt. Eine enge Verzahnung von Grundlagenwissenschaften, translationaler Forschung und klinischen Studien, die zu einem genaueren Verständnis der Tumorbiologie und Medikamentenentwicklung führt, wird hier in den kommenden Jahren weitere signifikante Fortschritte erzielen. Ein Beispiel sind die oben beschrieben ALK-Genfusionen im NSCLC: von der Entdeckung der genetischen Veränderung bis zur ersten klinischen Studie vergingen weniger als 5 Jahre.

Außerdem ist es Tumorzellen möglich auf Veränderungen zu reagieren und ein medikamentöses Eingreifen zu kompensieren. So kann es trotz zielgerichteter Therapie zu einer Resistenz gegenüber einem Medikament und Fortschreiten der Erkrankung kommen. An Strategien, die diese Problematik überwinden, wird eingehend geforscht. Hoffnung geben hier Studien, bei denen einzelne zielgerichtete Therapien erfolgreich mit anderen Wirkstoffen kombiniert werden.

(wp)

Fachliche Beratung: Dr. med. Albrecht Stenzinger, Leiter Molekularpathologisches Zentrum, Universitätsklinikum Heidelberg

 

Quellen:
[1] Pfarr N, Specht K & Weichert W, Bestimmung molekularer Biomarker in der Behandlung solider Tumoren: Methodik und Verlässlichkeit, Forum 2017, 32(3): 222–229
[2] Dingermann T, Individualisierte Medizin - Der Wert von Biomarkern, Pharmazeutische Zeitung online 2012, 20
[3] Bracht K, Biomarker - Indikatoren für Diagnose und Therapie, Pharmazeutische Zeitung online 2009, 12
[4] Ludwig WD, Möglichkeiten und Grenzen der stratifizierenden Medizin am Beispiel von prädiktiven Biomarkern und „zielgerichteten“ medikamentösen Therapien in der Onkologie, Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 2012, 106(1): 11-22

Zuletzt aufgerufen am: 19.03.2024 10:42