Pressearchiv 2021

 

Universitätskliniken fürchten Triage bei Krebspatient*innen

Gemeinsame Pressemitteilung: Großteil der Krebszentren kann keine Patient*innen mehr aufnehmen

Berlin/Bonn/Heidelberg, 21.12.2021. Die steigende Anzahl von Coronapatient*innen, die intensivmedizinisch versorgt werden müssen, bringt auch die universitären Krebszentren in Deutschland an die Belastungsgrenze. Schon jetzt haben zwei Drittel der befragten Kliniken keine Kapazitäten mehr, um weitere Krebspatient*innen aufzunehmen. Das geht aus der aktuellen Erhebung der Corona-Taskforce des Deutschen Krebsforschungszentrums, der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsgesellschaft hervor. Die drei Krebsorganisationen appellieren erneut an die Bevölkerung, das Impfangebot wahrzunehmen und Kontaktbeschränkungen einzuhalten.

Die Lage an den großen deutschen Krebszentren spitzt sich weiter zu. Die Versorgungskapazitäten der Zentren sind nahezu ausgeschöpft, das Personal arbeitet unter maximaler Belastung. Derzeit scheint es zwar, als würde sich die Zahl der Corona-Neuinfektionen stabilisieren, doch rechnen Expert*innen damit, dass die Inzidenz bald wieder ansteigt. "Bei steigenden Fallzahlen müssen wir mit einem erneuten Anstieg an Patienten rechnen, die intensivmedizinisch betreut werden müssen. Die Intensivstationen können aber schlichtweg niemanden mehr aufnehmen – das gilt sowohl für Coronapatienten als auch für Menschen mit anderen schweren Erkrankungen. Tritt dies ein, wird die Triage zum Klinikalltag“, warnt Professor Dr. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg.

Es sei wichtiger als je zuvor, entsprechende Versorgungskapazitäten in den Kliniken und Krankenhäusern, insbesondere in den Krebszentren, für Krebspatient*innen sicherzustellen. „Der Anteil an freien Intensivkapazitäten liegt aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie in weiten Teilen Deutschlands bei 10 Prozent oder darunter. Als ärztlicher Direktor einer universitätsmedizinischen Klinik bin ich täglich damit konfrontiert, dass aufgrund des enormen Aufwands in der Betreuung von COVID-19-Erkrankten auch in der stationären Krebsversorgung personelle Engpässe entstehen, auch dringende Operationen verschoben werden, oder Patientinnen und Patienten nach einer Krebs-OP frühzeitig die Intensivstation verlassen müssen, weil ihr Bett dringend gebraucht wird“, betätigt auch Professor Dr. Thomas Seufferlein, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass überfüllte Intensivstationen wegen Covid-19 zu einer ungewollten Priorisierung der zu behandelnden Patientinnen und Patienten – und damit zu einer stillen Triage – führen.“

Doch nicht nur die Politik, sondern auch die Gesellschaft ist gefordert, um den Kollaps des Krankenversorgungssystems abzuwenden. Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe dazu: „Wir richten erneut unseren dringenden Appell an jeden einzelnen. Bitte lassen sie sich impfen, egal ob es die erste, zweite oder dritte Impfung ist. Halten Sie sich an die bestehenden Kontaktbeschränkungen und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie – gerade jetzt im Hinblick auf die bevorstehenden Feiertage. Wir müssen die Zahl der Neuinfektionen unbedingt verringern, um alle schwerkranken Patienten adäquat versorgen zu können!“

Hintergrund

Um mögliche Beeinträchtigungen der onkologischen Versorgung zu erfassen, haben das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) ihre regelmäßige Befragung an 18 großen deutschen universitären Krebszentren (Comprehensive Cancer Center) wiederaufgenommen. Diese Befragung war 2020 von der Corona Task Force von DKFZ, Deutscher Krebshilfe und DKG initiiert worden, um Versorgungsengpässe und -einschränkungen frühzeitig zu erkennen und den Dialog mit politischen Entscheidungsträgern zu suchen. Nachdem während der ersten Pandemiewellen erhebliche Einschränkungen in einzelnen Versorgungsbereichen verzeichnet wurden, hatte sich die Versorgungslage in den ersten Monaten der zweiten Jahreshälfte 2021 normalisiert. Angesichts der steigenden Infektionszahlen und der sich starken Belastung der stationären Versorgungskapazitäten dokumentiert die Taskforce das onkologische Versorgungsgeschehen erneut in regelmäßigen Abständen.

Die Deutsche Krebsgesellschaft
Die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. (DKG) – eine Nachfolgeorganisation des 1900 gegründeten „Comité für Krebssammelforschung“ – ist die größte wissenschaftlich-onkologische Fachgesellschaft im deutschsprachigen Raum. In der DKG vertreten sind rund 8.000 Einzelmitglieder in 25 Arbeitsgemeinschaften, die sich mit der Erforschung und Behandlung von Krebserkrankungen befassen; dazu kommen 16 Landeskrebsgesellschaften und 35 Fördermitglieder. Die DKG engagiert sich für eine Krebsversorgung auf Basis von evidenzbasierter Medizin, Interdisziplinarität und konsequenten Qualitätsstandards, ist Mitinitiatorin des Nationalen Krebsplans und Partnerin der „Nationalen Dekade gegen Krebs“. www.krebsgesellschaft.de

Deutsche Krebshilfe
Die Deutsche Krebshilfe wurde am 25. September 1974 von Dr. Mildred Scheel gegründet. Ziel der gemeinnützigen Organisation ist es, Krebserkrankungen in all ihren Erscheinungsformen zu bekämpfen. Unter dem Motto „Helfen. Forschen. Informieren.“ fördert die Stiftung Deutsche Krebshilfe Projekte zur Verbesserung der Prävention, Früherkennung, Diagnose, Therapie, medizinischen Nachsorge und psychosozialen Versorgung, einschließlich der Krebs-Selbsthilfe. Ihre Aufgaben erstrecken sich darüber hinaus auf forschungs- und gesundheitspolitische Aktivitäten. Sie ist ebenfalls Mitinitiator des Nationalen Krebsplans sowie Partner der „Nationalen Dekade gegen Krebs“. Die Deutsche Krebshilfe ist der bedeutendste private Geldgeber auf dem Gebiet der Krebsbekämpfung – unter anderem der Krebsforschung – in Deutschland. Sie finanziert ihre gesamten Aktivitäten ausschließlich aus Spenden und freiwilligen Zuwendungen der Bevölkerung. www.krebshilfe.de

Das Deutsche Krebsforschungszentrum
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs. Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren. www.dkfz.de

Pressekontakt Deutsche Krebsgesellschaft e. V.
Dr. Katrin Mugele
Kuno-Fischer-Straße 8
14057 Berlin
Tel: 030 3229329-60
E-Mail: presse@krebsgesellschaft.de

Kommunikation Stiftung Deutsche Krebshilfe
Christiana Tschoepe
Buschstr. 32
53113 Bonn
Tel.: 0228 72990-96
E-Mail: presse@krebshilfe.de

Strat. Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Deutsches Krebsforschungszentrum
Dr. Sibylle Kohlstädt
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 42-2843
E-Mail: s.kohlstaedt@dkfz.de