Innovationsfonds

 

Brennpunkt Onkologie vom 08.06.2016: Innovationsfonds ‒ Status quo, prozessuale Umsetzung, inhaltliche Gestaltung, Strategie

Mit einem jährlichen Fördervolumen von 300 Millionen Euro bis 2019 stellt der Innovationsfonds einen Meilenstein in der öffentlichen Finanzierung von neuen Versorgungskonzepten und Versorgungsforschung dar.Die Fristen zur Antragstellung laufen im Juli 2016 ab; Leistungserbringer, die Fördergelder aus dem Innovationsfonds erhalten wollen, müssen Kassen als Partner vorweisen. Beim Brennpunkt Onkologie am 8. Juni 2016 in der Kalkscheune Berlin diskutierten Experten und Antragsteller über die Umsetzung der politischen Rahmenvorgaben und die inhaltliche Gestaltung des Innovationsfonds.

Johannes Bruns: „Unser Gesundheitssystem braucht mehr kreativen Freiraum, als durch den Innovationsfonds geschaffen wird.“

Dr. Johannes Bruns

Wie viel Innovation wird der Fonds bringen? Nicht viel, bemängelte Dr. Johannes Bruns, Generalssekretär der Deutschen Krebsgesellschaft: „Innovative Versorgungskonzepte gab es auch schon in der Vergangenheit. Die spannende Frage lautet: Welche Projekte aus dem Innovationsfonds kommen später wirklich in der Regelversorgung an?“ Das Gesundheitssystem habe in den letzten Jahren hohe Anforderungen an wissenschaftliche Evidenzen gestellt, wenn es darum ging, ob eine Maßnahme durch die gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden soll. Die Durchführung der nötigen Studien und ihre Finanzierung überließ man dagegen immer anderen. Bruns: „Wenn das Gesundheitssystem jetzt selber Geld in die Hand nimmt und eigene Innovationsgremien gründet, wie wissenschaftlich will und kann es an dieser Stelle sein?“

Holger Pfaff: „Es geht um machbare Projekte mit einem guten Evaluierungskonzept“

Prof. Dr. Holger Pfaff

Prof. Holger Pfaff vom Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung begrüßte den Fonds: „Wir haben in der Vergangenheit immer betont, es gehe nicht an, dass die Industrie zwei bis drei Prozent des Umsatzes für Forschung und Entwicklung investiert, das Gesundheitswesen selbst jedoch nicht. Wir haben daher gefordert, dass zumindest ein Tausendstel der Gesundheitsausgaben für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden soll.“ Pfaff, selbst Mitglied im Expertenbeirat des Innovationsfonds, betonte: Wer einen Antrag stellt, muss die wissenschaftliche Qualität seines Vorhabens durch ein tragfähiges Evaluationskonzept unter Beweis stellen. Förderungswürdige Projekte müssen so geplant sein, dass sie innerhalb von drei Jahren zu belastbaren und international publizierbaren Ergebnissen führen.

Ilona Köster-Steinebach: „Ich vermisse den Transmissionsriemen in die Regelversorgung.“

Dr. Ilona Köster-Steinebach

Der knappe Förderzeitraum von drei Jahren lässt allerdings kaum Raum für komplexe Innovationen in der Systemgestaltung des Gesundheitswesens. „Gerade die sind aber aus Patientensicht besonders wichtig“, argumentierte Dr. Ilona Köster-Steinebach vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Sie kritisierte außerdem Unklarheiten in der Förderbekanntmachung: So sei z. B. nicht klar, ob für nicht-medizinische Leistungen, die im Rahmen der Projektdurchführung eingekauft werden, 19 % Umsatzsteuer anfallen oder nicht. Wer keine entsprechenden Rücklagen bildet, trägt das Risiko, für Forderungen des Finanzamts, möglicherweise noch fünf Jahre nach Ende der Förderung aufkommen zu müssen. Die Krankenkassen unterliegen außerdem dem Vergaberecht, d.h., sie müssen Projektteile zur Patientenversorgung und Evaluation öffentlich ausschreiben. Auch das bringt Unsicherheit für potenzielle Kooperationspartner. „Vor allem aber fehlt ein klarer Prozess, wie Projekte mit einem hohen Patientennutzen nach der Förderung durch den Fonds in die Regelversorgung übernommen werden und dann vielen Patienten zugutekommen“, so Ilona Köster-Steinebach, die auch als Patientenvertreterin im Gemeinsamen Bundesverband (G-BA) tätig ist.

Franz Knieps: „Der Innovationsfonds ist ein Experimentierfeld für Transferprozesse.“

Franz Knieps

„Bei aller Kritik an dem Fonds, Ich halte ihn für eine Chance und ich bin sehr dafür, dass wir pragmatisch und flexibel damit umgehen“, argumentierte Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbands. Aus seiner Sicht sei der Innovationsfonds ein Experimentierfeld für Transferprozesse. „Der Innovationsfonds wird nicht dazu führen, dass eine Revolution im Gesundheitswesen zustande kommt. Ich merke aber, dass er die innovativen Köpfe in unserem System ermuntert, Veränderungsvorschläge zu machen. Ich prophezeie, die geförderten Projekte werden uns kontinuierlich mit Anregungen versorgen, um über Versorgung zu reden, um Versorgungsprobleme zu beschreiben, Lösungswege zu suchen und das System als Ganzes in Bewegung zu setzen.“

Dass besonders in der Onkologie viele innovative Ideen schlummern, bestätigten die Projekte, die bei der Brennpunkt-Veranstaltung vorgestellt wurden. Da ging es z.B. um die Weiterentwicklung der klinischen Krebsregister, um spezielle indikationsbezogene Register zur parallelen Dokumentation von Daten durch Arzt und Patient, und um die Verbesserung der Kommunikation gendiagnostischer Befunde bei Patientinnen mit einer erblichen Belastung für Brust- und Eierstockkrebs.

Podiumsdiskussion: Money for Value – Schlüsselfrage beim Innovationsfonds?

Doch welche Projekte werden das Rennen machen ‒ diejenigen, die den größten Patientennutzen bieten oder die, die den Kassen die meisten Einsparungen bringen? Es sei eine Illusion, zu glauben, man könne mit Partnern auf Kassenseite zusammenarbeiten und das Thema „Money for Value“ ausklammern, so einer der Teilnehmer bei der anschließenden Podiumsdiskussion. Aber die geforderte Kooperation zwischen Kassen und Leistungserbringern bei der Projektdurchführung sei an sich bereits ein Veränderungsprozess. Durch die Zusammenarbeit finden die jeweiligen Seiten Verständnis für die Anliegen der anderen Seite und erleben gemeinsam, welche Vorhaben funktionieren werden, welche nicht. Das verändert die Kooperierenden und hoffentlich auch den Umgang mit Innovationen im kollektiven politischen Entscheidungsprozess.

 

Referenten:
Dr. Johannes Bruns (Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft); PD Dr. Jutta Hübner (Deutsche Krebsgesellschaft); PD Dr. Monika Klinkhammer-Schalke (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren - ADT); Franz Knieps (Vorstand BKK-Dachverband); Dr. Ilona Köster-Steinebach (Verbraucherzentrale Bundesverband, Patientenvertreterin im G-BA); Prof. Dr. Holger Pfaff (Vorsitzender des Expertenbeirats zum Innovationsfonds); Prof. Dr. Rita Schmutzler (Direktorin des Zentrums FamiliärerBrust- und Eierstockkrebs); Prof. Dr. Bernhard Wörmann (Medizinischer Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie - DGHO)

Moderation: Thomas Hegemann