Danke, AMNOG!

 

Brennpunkt Onkologie vom 27.11.2013:
„Danke, AMNOG!“

2011 wurde die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) eingeführt. Auf Basis dieser Nutzenbewertung verhandeln Kassen und Hersteller über den Erstattungspreis ‒ nur was mehr bringt als Altbewährtes ohne Patentschutz, darf auch mehr kosten. Geht es nach dem Willen des Gesetzgebers, so soll die Umsetzung der AMNOG-Regelung ab 2014 Arzneimittelausgaben von rund 1,4 Milliarden Euro jährlich einsparen. Doch wie gut funktioniert der AMNOG-Prozess, und wird das Gesetz seiner Aufgabe gerecht? Dieser Frage widmete sich die Brennpunkt-Veranstaltung "Danke, AMNOG!" am 27. November 2013.

Nutzenbewertung: Nicht nur zur Preisfestsetzung

Dr. Johannes Bruns

Zwar halte die Deutsche Krebsgesellschaft die Einführung der frühen Nutzenbewertung für prinzipiell sinnvoll, so Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft. Dennoch habe das Verfahren aus Sicht der DKG wesentliche Schwachpunkte. Strittig sind häufig die Auswahl der Vergleichstherapie und der Umgang mit Studienendpunkten. „Darüber hinaus verfolgt die frühe Nutzenbewertung derzeit lediglich das Ziel der Preisfestsetzung für ein Arzneimittel. Eine schlüssige Strategie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Klärung der klinischen Fragen, die bei der Nutzenbewertung zutage treten oder die die Medikamentenanwendung im Versorgungsalltag betreffen, ist momentan nicht erkennbar“, bemängelte Bruns. „Viele sehen die Verantwortung für die Durchführung solcher Studien im Wesentlichen bei der Industrie, obwohl unabhängige, neutrale Studien an dieser Stelle notwendig wären.“

Bewertungsprozess: Zu früh für ein endgültiges Urteil

Dr. Michael Kulig

Aus Sicht des Gemeinsamen Bundesausschusses sei die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln ein Erfolg, konterte PD Dr. Michael Kulig vom G-BA. In einer Zulassungsstudie gehe es um die Bewertung, Wirksamkeit und Sicherheit eines Arzneimittels per se; bei der Nutzenbewertung stehe hingegen die Auswahl der besten vorhandenen Therapien aus der Patienten- und GKV-Perspektive im Vordergrund. Diesen Zweck erfülle der derzeitige Prozess, auch wenn zum Zeitpunkt des Markteintritts naturgemäß noch offen sei, wie sich das Medikament in der Anwendung bewährt. Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) plädierte deshalb für einen befristeten Beschluss über den Zusatznutzen eines Arzneimittels; nach einem bestimmten Zeitraum von zum Beispiel zwei Jahren, wenn konkrete Daten zum Einsatz des Arzneimittels im Versorgungsalltag vorliegen, könnte dann eine erneute Bewertung erfolgen.

Bewertungsmethodik: Herausforderungen nur gemeinsam lösbar

Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig

Bei der Diskussion um geeignete Studienendpunkte gehe es vor allem darum, dass bereits in die Zulassungsstudien patientenrelevante Endpunkte eingeschlossen werden, auch im Hinblick auf die spätere Nutzenbewertung, ergänzte Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig. Schwierig wird es außerdem dann, wenn in einer Cross-over-Zulassungsstudie die Kontrollgruppe zeitversetzt ebenfalls das neue Medikament erhält, nachdem eine Interimsanalyse seine Überlegenheit gezeigt hat. Aus ethischen Gründen und in Absprache mit der Zulassungsbehörde könne man Krebspatienten ein solches Cross-Over nicht verwehren, so Dr. Daniel Kalanovic, Medical Director von Pfizer Oncology Deutschland. „Bei der Nutzenbewertung kann es aber passieren, dass der Studie aufgrund des Cross-over-Designs ein erhebliches Verzerrungspotential bescheinigt wird, was dann zu einem Preisabschlag führt.“ An dieser Stelle bestehen offensichtlich methodische Herausforderungen, die sich nur gemeinsam im Diskurs mit Experten, pharmazeutischen Unternehmen, regulatorischen Behörden und G-BA lösen lassen. Dabei sollte auch die Patientensicht und die Expertise der onkologischen Fachgesellschaften bzw. internationaler Organisationen mit Erfahrung im Thema Health Technology Assessment (HTA) berücksichtigt werden.

Bewertungsexpertise: HTA-Wissen gefragt

Prof. Bernhard Wörmann

Im Rahmen der Nutzenbewertung bleibt den Fachgesellschaften drei Wochen zur Kommentierung - nicht viel Zeit, wenn man bedenkt, dass die entsprechenden Dossiers einen Umfang von 1000 bis 1500 Seiten aufweisen. „Wir brauchen deutlich mehr HTA-Wissen an deutschen Universitäten. Die Kommentierung einer Nutzenbewertung im Rahmen des AMNOG könnte für Fachgesellschaften ein Anreiz sein, sich an dieser Stelle zu professionalisieren“, erklärte Prof. Bernhard Wörmann, medizinischer Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). „Die Bedeutung der frühen Nutzenbewertung geht über Preisfestsetzungen hinaus. Das Verfahren setzt Standards für zukünftige Studien bei neuen Medikamenten, nicht nur in der Onkologie.“

Material zum Brennpunkt vom 27. November 2013

 

  • Videointerview mit Prof. Dr. Michael Hallek, Köln:

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