Angaben zum Autor und Erstelldatum finden Sie am Ende des Beitrages.

Bitte beachten Sie, dass Texte, die älter als 2 Jahre sind, sich in der Überarbeitung befinden und gegebenenfalls nicht den aktuellen wissenschaftlichen Stand wiedergeben.

Operation bei Krebs – oft entscheidend für die Prognose

Ärzte im OP
Quelle: © AdobeStock_321234696

Etwa 80% aller Krebspatient*innen werden im Laufe ihrer Erkrankung operiert. Die Operation ist eine der ältesten und häufigsten Behandlungsmethoden von Tumoren. Und sie hat Gewicht, denn Verlauf und Ergebnis haben wesentlichen Einfluss darauf, ob die Erkrankung geheilt werden kann oder wie sie sich weiterentwickelt.

Wie Krebspatient*innen sicher gehen können, dass sie bestmöglich operiert werden, erläutert Prof. Dr. Dr. Pompiliu Piso. Er ist Vorsitzender der Assoziation Chirurgische Onkologie (ACO), einer Sektion der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die Chirurgie ist im gesamten Behandlungsverlauf ein Grundpfeiler der Krebsbehandlung.
  • Das Ergebnis einer Operation ist relevant für die weitere Entwicklung der Erkrankung (Prognose).
  • Chirurg*innen haben einen festen Platz in der interdisziplinären Tumorkonferenz.
  • Ein neu geschaffenes Aus- und Weiterbildungsprogramm trägt dazu bei, die Qualität chirurgischer Eingriffe zu gewährleisten.
  • Patient*innen können sich in Krebsberatungsstellen über geeignete Kliniken und Tumorzentren informieren.
  • In Patientenleitlinien lässt sich nachlesen, welche Operationsmethoden infrage kommen und wie sie durchgeführt werden.

Wann wird operiert?

Chirurgische Eingriffe kommen in verschiedenen Krankheitsstadien zum Tragen:

  • Die Tätigkeit der Chirurg*innen beginnt bei der Diagnostik, wenn Gewebeproben entnommen werden müssen (Biopsie), die von Patholog*innen begutachtet werden.
  • Als lokal, also örtlich wirkende Methode setzt die Operation am Entstehungsort des Krebses an. Man spricht auch vom Primärtumor. Dieser wird entfernt, um zu verhindern, dass sich der Krebs weiter ausbreitet. Immer mehr Patient*innen können durch eine Operation geheilt werden [1].
  • Auch wenn der Krebs wiederkommt (Rezidiv), kann eine erneute Operation sinnvoll sein (z. B. bei Eierstockkrebs) [2].
  • In bestimmten Fällen werden (einzelne) Metastasen herausoperiert. Dies kann die Prognose verbessern oder Beschwerden lindern (z.B. bei Darmkrebs). [3]

Fortschritte in der Krebschirurgie: Beispiel Brustkrebs

Arzt-Patientengespräch im Rahmen einer Operation
Quelle: © AdobeStock_271198000

Welche Fortschritte in der onkologischen Chirurgie gemacht wurden, lässt sich gut bei der Behandlung von Brustkrebs erkennen. Bis in die 1970er Jahre hinein wurde die betroffene Brust einschließlich der Brustmuskulatur und Lymphknoten komplett entfernt (Mastektomie) [4,5]. Um den Frauen unnötige Schmerzen und Verstümmelung so weit wie möglich zu ersparen, wurden die Eingriffe immer sparsamer.

So kann die Brust heute bei drei Viertel der operierten Frauen erhalten werden und auch die Entfernung von Lymphknoten in der Achsel wird nicht mehr pauschal empfohlen [6]. Das Ziel, das Ausmaß operativer Eingriffe so weit wie möglich zu reduzieren, ist auch in der medizinischen Leitlinie klar formuliert [6]. Einbußen haben die Frauen dadurch nicht.

Im Gegenteil: Ihre Lebenserwartung hat sich verlängert und die Lebensqualität verbessert. Dank weiterer enormer Fortschritte leben heute 10 Jahre nach der Diagnose noch 66% der Frauen mit Brustkrebs [7].

Präzisere und schonendere Operationsmethoden

Auch die Operationsmethoden selbst haben sich modernisiert. So ist der schonende, minimal-invasive Eingriff („Knopflochchirurgie“) bei Darmkrebs schon seit 20 Jahren Standard. Die Patient*innen haben dadurch nach dem Eingriff weniger Schmerzen und eine bessere Lebensqualität [8,9].

Auch robotergestützte Operationen haben längst Einzug in den chirurgischen Alltag gehalten. Diese haben nicht nur Vorteile für die Patienten (z.B. weniger Komplikationen und kürzerer Krankenhausaufenthalt), sondern auch für die Operateur*in: Er oder sie kann das Operationsgebiet dreidimensional und vergrößert sehen und dadurch präziser arbeiten. Zudem ist es weniger anstrengend, da der Eingriff im Sitzen ausgeführt werden kann. Hinsichtlich des Operationsergebnisses ist das robotergestützte Vorgehen genauso gut wie eine offene Operation. [10]

Die Operation ist eine invasive Methode, das heißt, der Körper wird verletzt und es bleiben Narben zurück. Häufig steht der Eingriff relativ kurz nach der Diagnosestellung an. Viele Patient*innen sind zu diesem Zeitpunkt psychisch stark belastet. Sie fragen sich, wie die Operation ablaufen wird, welche Komplikationen auftreten können, wie es ihnen danach geht und ob es gelingt, den Tumor vollständig zu entfernen. Sie möchten auch wissen, in welche Klinik sie am besten aufgehoben sind. Größere Operationen werden in der Regel in spezialisierten Zentren vorgenommen.

Was soll mit der Operation erreicht werden?

Jeder Operation geht ein ausführliches Gespräch zwischen Ärzt*innen und dem/der Patient*in voraus. Eine wichtige Rolle spielt dabei, welches Ziel erreicht werden soll und welche individuellen Faktoren berücksichtigt werden müssen. Beispielsweise können Prostatakrebspatienten dank moderner Therapien immer länger leben. Eine operative Entfernung der Prostata ist zum Beispiel mit dem Risiko verbunden, später Schwierigkeiten beim Wasserlassen oder Erektionsprobleme zu bekommen.

Möglicherweise gibt es andere Therapieoptionen, die im individuellen Fall in Frage kommen. Darüber hinaus sollte der Umgang mit Schmerzen nach der OP oder das Risiko von Wundheilungsstörungen und Narbenbrüchen angesprochen werden. Auch anatomische Besonderheiten, Begleiterkrankungen und die persönlichen Wünsche der Erkrankten können die Art des Vorgehens beeinflussen. [10] Grundsätzlich gibt es immer auch die Möglichkeit, eine Zweitmeinung einzuholen.

Wie lässt sich die Qualität einer Operation messen?

Ärzte bei einer Operation
Quelle: © AdobeStock_244344536

Bei der Beratung orientieren sich Ärzt*innen an medizinischen Leitlinien, die in vielen Fällen auch als Patientenleitlinien in laienverständlicher Sprache vorliegen. „Chirurg*innen haben in den Expertengremien, die diese Leitlinien erstellen, einen festen Platz“, betont Prof. Piso. „Alle darin enthalten Empfehlungen zum Schwerpunkt Operation beruhen auf dem aktuellen Forschungsstand.

Dabei geht es nicht nur um die Art und den Umfang der Eingriffe, sondern auch darum, wie viel gesundes Gewebe um den Tumor herum und wie viel Lymphabflussgebiet entfernt werden muss, damit möglichst keine Krebszellen zurückbleiben.“ Man weiß zum Beispiel, dass bei Prostatakrebs-Operationen nicht der Zugangsweg, sondern die Erfahrung der Operierenden ausschlaggebend ist [10]. All diese Erkenntnisse stammen aus wissenschaftlichen Studien.

Studien dienen dazu, nachzuweisen, dass bestimmte Behandlungsformen wirksam und sicher sind. Dies gilt auch für die Chirurgie, auch wenn der Anzahl durchgeführter Studien deutlich geringer ist als in der medikamentösen Krebstherapie. „Über die Studienergebnissen hinaus spielen gerade in der Chirurgie die Intuition und die persönliche Erfahrung eine sehr wichtige Rolle.

Dennoch reicht das Bauchgefühl für eine objektive Beurteilung nicht aus. So hat sich in Studien beispielsweise herausgestellt, dass minimal-invasive Methoden nicht immer automatisch zu besseren Ergebnissen führen als offene Operationen, auch wenn dieser Gedanke nahe liegt.

Entscheidend sind allerdings die Erfahrung der Operierenden und des Krankenhauses, gerade für eine bestimmte Indikationstellung, die Therapie und die Behandlung von Komplikationen“, erläutert Prof. Piso. „So ist die Sterblichkeit in Kliniken, die häufig Lungenkrebspatient*innen operieren, nur halb so hoch wie in Kliniken, die diese Operationen selten durchführen. Ähnliche Daten gibt es für Operationen an der Speiseröhre oder an der Bauchspeicheldrüse." [11-13]

Bei Operationsverfahren ist es schwieriger, wissenschaftliche Studien durchzuführen, als bei Medikamenten. Zum einen liegt es an der Finanzierung der Studien, zum anderen müssen Studien für chirurgische Verfahren anders konzipiert werden. Um trotzdem verlässliche Erkenntnisse zu bekommen, wurden aber spezielle Studienmodelle entwickelt. [14]

Darüber hinaus gibt es weitere Vorgaben, die sichern sollen, dass Operationen mit der höchsten Qualität durchgeführt werden. „Organkrebszentren mit einer Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft müssen nachweisen, dass sie jährlich eine festgelegte Mindestmenge an Operationen durchführen, die Operierenden gut ausgebildet sind und über ausreichende Erfahrung verfügen. Ob diese Standards eingehalten werden, wird von der Deutschen Krebsgesellschaft regelmäßig überprüft“, erklärt Prof. Piso.

Onkologische Chirurgie: Bessere Aus- und Weiterbildung

„Unbefriedigende Ergebnisse der Operation lassen sich durch spätere Therapien kaum kompensieren. Deshalb spielt die Qualifikation der Chirurg*innen eine Schlüsselrolle“, so Prof. Piso. Das Wort „Chirurgie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Arbeit mit den Händen“. Zusätzlich zu den handwerklichen Fähigkeiten benötigen gute onkologische Chirurg*innen umfassendes Wissen über andere Krebstherapien. Nur dann können sie in interdisziplinären Tumorkonferenzen kompetent mitentscheiden.

Beispielsweise erfolgt bei manchen Patient*innen vor der Operation eine Chemotherapie oder eine Behandlung mit Medikamenten, um den Tumor zu verkleinern und besser operieren zu können. Diese Maßnahmen können zu Wundheilungsstörungen führen. Nur wenn die Operierenden das wissen, können sie  entsprechende Maßnahmen vorbereiten.

Die Weiterbildung zum Facharzt/zur Fachärztin für Chirurgie dauert in Deutschland sechs Jahre. Darüber hinaus gibt es derzeit in Deutschland keine zusätzliche Ausbildung für chirurgische Onkologie. „Um die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich zu verbessern, haben wir das Curriculum Chirurgische Onkologie eingeführt. Wir sind sehr stolz, dass wir für Chirurg*innen nun diesen entsprechenden Lehrplan (Curriculum) anbieten können. Hier werden Kenntnisse zur Häufigkeit und Entstehung von Tumoren verschiedener Organe, zu Studien und Forschungsmethoden sowie Therapien wie Bestrahlung und Chemotherapie vermittelt.

Bestandteil der Ausbildung sind außerdem die Palliativmedizin, Psychoonkologie und die Gesprächsführung“, informiert Prof. Piso. [15] Das Curiculum ist mit der European Society of Surgical Oncology (ESSO), der Europäischen Krebschirurgischen Gesellschaft, erarbeitet worden und die Europäische Endprüfung mit der Union Européenne des Médécins Spécialistes, dem Europäischen Facharztverband, abgestimmt. Prof. Piso ist Vorstandsmitglied der ESSO, was die Entstehung des Projektes sicherlich vereinfacht hat.

Blick in die Zukunft: Chirurgie 4.0

Moderner Operationssaal
Quelle: © AdobeStock_26316918

Fortschritte in der Digitalisierung werden in absehbarer Zeit auch zu weiteren Fortschritten in der Chirurgie führen, so die Einschätzung von Prof. Piso. So könnte ein „digitaler Zwilling“ eines individuellen Patienten erstellt werden, an dem man modellhaft virtuell die Therapie planen und simulieren kann.

Anhand der Patientendaten lässt sich der komplette Operationsvorgang bis auf die einzelne Pinzette bereits vor der dem Eingriff darstellen. Dass er digital erfasst und dokumentiert wird, hat noch weitere Vorteile: So können Prozesse im Nachhinein ausgewertet und Abläufe verbessert werden. [11,16]

Somit ist nicht nur der Eingriff besser und sicher durchführbar. Auch die Aufklärung der Patienten wird erleichtert, weil die einzelnen Operationsschritte vorab sichtbar gemacht werden können. Darüber hinaus wird die Weiterbildung der Operation beteiligten Assistenzärzte unterstützt.

 

(as)

Quelle: © Prof. Dr. Pompiliu Piso

Fachliche Beratung

Prof. Dr. Pompiliu Piso
Chefarzt Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Regensburg

Literatur

[1] Piso P, Vortrag beim Interdisziplinären Kongress Quality of Cancer Care, 2021
[2] Bois AD, et al. Journal of Clinical Oncology. 2020;38(15_suppl):6000-6000
[3] Haussmann J, et al. Dtsch Arztebl Int. 2019;116:849-56
[4] Wallwiener D, et al. GebFra - DGGG-Gesellschaftsausgaben. 2015(05):977-90
[5] Zurrida S und Veronesi U. Breast J. 2015;21(1):3-12
[6] Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Version 4.3, 2020, AWMF Registernummer: 032-045OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/mammakarzinom/ (abgerufen am: 31.3.2021),
[7] Krebs in Deutschland 2015/2016, Berlin, 2019
[8] Holze M, et al. Forum. 2021;36(1):29-34
[9] Schwenk W, et al. Cochrane Database Syst Rev. 2005(3):Cd003145
[10] Kramer MW, et al. best practice onkologie. 2020;15(9):394-403
[11] Wilhelm D, et al. Forum. 2021;36(1):22-8
[12] Hoffmann H, et al. Forum. 2021;36(1):35-9
[13] Klauber Jürgen, et al. Schattauer: Stuttgart (2107)
[14] Bahra M und Pratschke J. Der Chirurg. 2020;91(7):553-60
[15] Curriculum chirurgische Onkologie: http://aco-chirurgie.de/159-2/ (Abruf am 30.3.2021),
[16] Vogel T, et al. Der Chirurg. 2019;90(6):470-7

Letzte inhaltliche Aktualisierung am 20.04.2021

Zuletzt aufgerufen am: 25.04.2024 17:35