Bitte beachten Sie, dass Texte, die älter als 2 Jahre sind, sich in der Überarbeitung befinden und gegebenenfalls nicht den aktuellen wissenschaftlichen Stand wiedergeben.

Angaben zum Autor, Fachberater und Erstelldatum finden Sie am Ende des Beitrages.

Mobile Helfer – können Apps bei der Krebsvorsorge und Therapie unterstützen?

Noch ist der Markt für Apps zum Thema Krebs überschaubar. Schaut man sich jedoch die allgemeine Entwicklung der mobilen Gesundheits-Anwendungen an, ist klar: Auch beim Thema Krebs geht der der Trend in Richtung digitale Anwendungen – vor allem im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung [1,2,3] Schon jetzt gibt es einige Apps, die bei der Krebsvorsorge und bei der Therapie unterstützen sollen.

Wichtig: Auf vertrauenswürdigen Anbieter achten

Quelle: © kantver - fotolia.com

Bevor Sie die Installation oder den Kauf einer App in Betracht ziehen, sollten Sie zunächst darauf achten, ob es sich um einen vertrauenswürdigen Anbieter mit qualitätsgesicherten Informationen handelt. Der Anbieter muss in Form von Name und Anschrift sowie Angaben zur direkten Kontaktaufnahme im Impressum angegeben sein. Häufig sind die finanziellen Hintergründe nicht angegeben, da derzeit die Anbieter von Gesundheitsapps ihre Finanzierungsquellen nicht offen darlegen müssen. Daher ist es schwer nachvollziehbar, von welchen Interessen die App geleitet ist. Sie sollten insbesondere darauf achten, dass die App neutral ist, das heißt keine bestimmten Produkte beworben werden oder die Inhalte nicht kommerziell eingefärbt sind. Von Vorteil ist ebenfalls, wenn die App zertifiziert wurde oder ein vertrauenswürdiges Siegel besitzt. In diesem Fall sollten auch die Bewertungskriterien eines solchen Siegels transparent dargestellt sein. [15]

Kliniken, Vereine und Selbsthilfegruppen ohne kommerzielle Absichten bieten meist werbefreie Anwendungen an und arbeiten oft mit einem wissenschaftlichen Gremium zusammen, das für die Qualität der Informationen bürgt.

Auf jeden Fall sollte sichergestellt sein, dass keine Unbefugten von Außerhalb Zugriff auf die medizinischen Daten haben. Das lässt sich nur einschätzen, wenn die App über eine Datenschutzerklärung verfügt, die über die Datennutzung informiert – am besten in deutscher Sprache – was häufig leider nicht der Fall ist: Wie in einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums von 2016 ermittelt wurde, halten Gesundheits-Apps die datenschutzrechtlichen Anforderungen häufig nicht ein. Wichtig ist auch zu wissen: Werden die Daten im Ausland gespeichert,  ist die Nutzung nicht dem deutschen Datenschutzrecht unterworfen. [1,2,3] Eine gut auffindbare Datenschutzerklärung, die über Art, Umfang und Zweck der erhobenen Daten informiert sowie angibt, wo die Daten gespeichert werden, ob es eine Möglichkeit zum Widerruf gibt und ob die Daten eventuell an Dritte weiter gegeben werden gehört zu einer vertrauenswürdigen Gesundheitsapp. Orientierung bietet die Bewertung durch andere Nutzer, die so genannten ‚Sternebewertungen‘, Garantie allerdings nicht.  Eine qualitativ hochwertige App stellt ebenfalls keine abschließende Diagnose mit sich daraus ableitenden Behandlungsempfehlungen, da das Risiko von Fehldiagnosen fatale Folgen haben kann. Sie unterstützt zwar die Therapie, ersetzt aber nicht die Beurteilung durch einen Arzt! Von Apps, die dergleichen behaupten sollte zügig Abstand genommen werden. [15]

Hilfestellung für die Beurteilung von Apps gibt die Checkliste des Portals „HealthOn“: Gute Gesundheits-Apps finden.

Unterstützung bei der Krebs-Vorsorge

Am häufigsten anzutreffen sind beim Thema Krebs mobile Anwendungen, die bei der Krebsvorsorge unterstützen sollen. Beispielsweise wird in der App „Selbstuntersuchung der Brust“ mit Hilfe einer bebilderten Anleitung das Abtasten der Brust zur monatlichen Selbstuntersuchung erklärt. Zur Prävention von Hautkrebs gibt es die App „UV-Check“, die neben vielen Informationen auch die Möglichkeit bietet, die Eigenschutzzeit der Haut zu berechnen. Außerdem können Hautschäden und Hautveränderungen fotografisch dokumentiert werden. [4] Den kostenlosen (von LEO Pharma gesponserten) „UV-Check“ haben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der Berufsverband der Deutschen Dermatologen gemeinsam entwickelt.

Vorsicht geboten ist jedoch bei Apps, die versprechen, das Hautkrebsrisiko bei konkreten Hautverfärbungen oder Veränderungen von Hautflecken einzuschätzen. Diese Apps (z. B. Skinvision) basieren in der Regel auf einer Bilddatenbank, die das abfotografierte Nutzer-Bild mit den Fotos der Datenbank vergleicht. Aufgrund der vorhandenen Ähnlichkeiten wird dann das Hautkrebsrisiko berechnet. Das funktioniert allerdings nicht immer ganz zuverlässig. Ärzte warnen deshalb davor, sich nur auf die App-Auswertung zu verlassen. Bei verdächtigen Hautveränderungen sollte immer ein Arzt aufgesucht werden. [5,6]

Apps zur Berechnung des individuellen Krebs-Risikos

Auch für andere Krebsarten gibt es Apps, die mit Hilfe verschiedener Faktoren wie Lebensstil, familiären Erkrankungen bzw. Veranlagungen, Symptomen und dem eigenen Gesundheitszustand das Erkrankungsrisiko berechnen, beispielsweise „My Cancer Risk“ oder „Cancer Spotter“. Sie stammen oft von kommerziellen Anbietern und basieren nicht immer auf den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Hier besteht auch die Gefahr, dass User sich womöglich unnötig sorgen machen wenn sie augenscheinlich negativen Ergebnisse bekommen, die sie dann nicht einmal gleich mit einem Arzt besprechen können.

Apps zur Verbesserung der Lebensqualität von Krebspatienten

Quelle: © Robert Kneschke - fotolia.com

Weniger problematisch sind Apps, die darauf abzielen, die Lebensqualität von Krebspatienten zu verbessern. „Sport gegen Krebs“ beispielsweise gibt Krebspatienten Tipps und Anleitungen, wie sie während und nach der Krebsbehandlung ihr Wohlbefinden durch Sport und Bewegung fördern können. [7] In eine ähnliche Richtung geht die Anwendung „movival - Aktiv gegen Krebs“. Hier soll durch Bewegung das Rückfallrisiko gesenkt werden (die werbefreie Vollvariante ist allerdings mit einem kostenpflichtigen Abo verbunden). [8]

Da eine beträchtliche Anzahl von Tumorpatienten an Mangelernährung leidet und eine gesunde Ernährung das Wohlbefinden fördert, bietet das Tumorzentrum München „Rezepte für Patienten mit Krebs“ als mobile Anwendung an (Titel: HealthFood). Zu jedem Rezept gibt es Angaben zu Inhaltsstoffen und/oder zu krankheitsspezifischen Aspekten. [10]  Natürlich braucht man weder eine App, um zu Kochen noch um Sport zu treiben. Aber manchen Menschen hilft das Smartphone-Programm, bei der Stange zu bleiben. Außerdem können Patienten so eine auf ihre Einschränkung abgestimmte Anleitung bekommen und damit selbst etwas für den Genesungsprozess tun.

Unterstützung bei der Symptomkontrolle und Medikamenten-Einnahme

Quelle: © rangizzz - fotolia.com

Um Patienten bei der Medikamenteneinnahme zu unterstützen, wurden mittlerweile zahlreiche Apps entwickelt. Sie erinnern die Patienten – ähnlich wie ein Wecker – zu festgelegten Zeiten an die Einnahme. Die Anwendung „MyTherapy“ (die auch bereits im klinischen Alltag evaluiert wurde) kombiniert diese Funktion mit einem Symptom-Tagebuch. Diese Aufzeichnungen können bei Arztgesprächen wiederum eine gute Hilfe sein.  "Medisafe" stellt Patienten mit Multiplem Myelom eine digitale Lösung zur Verfügung, die sie bei der Dokumentation und Überwachung ihrer Medikamenteneinnahme unterstützen soll. Das beinhaltet die automatische Aufstellung des Dosierungsplans, Medikamentenerinnerungen, Motivationsnachrichten und multimediale Lerninhalte. Wie bei allen Apps gilt auch hier: Bei sensiblen Daten ist natürlich besonders auf den Datenschutz zu achten.

Beratung und Lebenshilfe

Speziell für Kinder, deren Mütter an Brustkrebs erkrankt sind, gibt es die App „Zauberbaum“.  Hier werden mit der Brustkrebsbehandlung verbundene Begriffe und der Behandlungsablauf erklärt: Zentrum der App ist der Zauberbaum, welcher durch das Ansehen eines Informationsfilms oder das Spielen eines Spiels mit dadurch gewonnenem Schmuck verziert werden kann. Auf kindgerechte Art und Weise werden Informationen vermittelt, zur Entspannung und Ablenkung gibt es kleine Spiele. Dabei können Eltern und Kinder selber bestimmen, wie viel Informationen sie wann und wo konsumieren. Neben Antworten für Kinder stellt die App auch einen Leitfaden für die Eltern dar, welche die Aufklärung über das Thema Krebs erleichtert. Die Anwendung wendet sich an Kinder zwischen drei und zehn Jahren. „Mit der App haben wir gemeinsam mit verschieden Experten versucht, die relevanten Inhalte, die aus unserer Sicht zu einem solch wichtigen Thema berücksichtigt werden sollten, zusammenzufassen“, sagt Prof. Dr. Christian Jackisch, Chefarzt der Frauenklinik am Sana Klinikum Offenbach und Vorstandsvorsitzender des Vereins „Hilfe für Kinder krebskranker Eltern e.V.“. [11]  Beratung und Informationen für an Krebs erkrankte Menschen und deren Familien speziell in Thüringen bietet die „KrebsApp Thüringen“, initiiert von der „Frauenselbsthilfe nach Krebs“.

Welche Entwicklungen sind zu erwarten?

Apps zur Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen sind nicht nur in Deutschland, sondern weltweit bislang rar. [3] Das liegt auch daran, dass hier in vielen Ländern das Medizinprodukte-Recht greift und diese Apps erst zertifiziert werden müssen. Langfristig ist jedoch mit einem verstärkten Einsatz von Apps auch in der Krebstherapie zu rechnen: Erste Studien deuten auf einen erheblichen Nutzen digitaler Anwendungen in diesem Bereich hin.

So konnte eine kürzlich veröffentlichte amerikanische Studie zeigen, dass Krebspatienten, die während einer Chemotherapie ein digitales Symptomtagebuch führten und deren Pfleger über Verschlechterungen des Zustandes in Echtzeit informiert wurden, länger lebten als die Patienten der Kontrollgruppe, die über Verschlechterungen in Telefonaten oder regelmäßigen Kontrollterminen informierten. Der Nutzen für die Patienten bestand hier vor allem in der schnellen Anpassung der Therapie. [12]

Auch in einer französischen Studie mit Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs ließen sich Erfolge durch den Einsatz einer App in der Nachsorge erzielen. Die Test-Gruppe sollte wöchentlich in einer App ihren aktuellen Zustand dokumentieren. Diese Angaben wurden mit einem Algorithmus analysiert. Bei einem schlechten Ergebnis, das den Verdacht auf einen Rückfall (Rezidiv) nahelegte, wurde beim betreuenden Onkologen ein Alarm ausgelöst. Bestätigte sich tatsächlich ein Rezidiv, wurde die App dazu genutzt, unterstützende Maßnahmen anzupassen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (die ihren Onkologen nur bei Bedarf aufsuchte) lebten die Mitglieder der App-Gruppe länger. Das Gesamtüberleben hatte sich also durch die frühe Diagnose von Rückfällen per App verbessert. Die App befindet sich momentan in der CE-Zertifizierung für Medizinprodukte. [13]

In einem groß angelegten EU-Projekt mit dem Titel „iManageCancer“ arbeiten Forscher aus ganz Europa an eHealth-Angeboten und Gesundheits-Apps, die Krebspatienten helfen sollen, mittels Smartphone oder Tablet mit ihrer Erkrankung besser zurecht zu kommen. Die ersten dieser Apps befinden sich nun in der Pilotphase. [14] Mehr Infos iManageCancer zu finden interessierte Patienten unter: http://imanagecancer.eu/news/new-video-introduces-imanagecancer-apps

Service:

Vertrauenswürdige Apps finden

Das Online-Portal HealthOn (www.healthon.de) informiert regelmäßig über Gesundheits-Apps und bietet hilfreiche Einschätzungen zu deren Qualität.

HealthOn hat insgesamt 21 deutschsprachige Krebs-Apps getestet. Die untersuchten Krebs-Apps stammen in der Regel von unbekannten Anbietern, zum Teil sind staatliche Institutionen (n=3), Berufsverbände (n=1) oder Selbsthilfeorganisationen (n=2) involviert oder Pharmaunternehmen treten als Sponsoren oder Anbieter auf (n=5). Weil Informationen zu Autoren und Quellen der gesundheitsbezogenen Informationen lückenhaft sind oder fehlen, lässt sich die fachliche Richtigkeit und Unabhängigkeit der Inhalte nur schwer einschätzen. Ob und wie die personenbezogenen Daten geschützt sind, die immerhin bei jeder fünften untersuchten App mit Dritten ausgetauscht werden können, darüber sollte eine Datenschutzerklärung informieren, die in den meisten Fällen (bei 55% der untersuchten Apps] jedoch fehlt.

Ohne Erklärungen zum Datenschutz, ohne Impressum, das zeigt, wer bei Datenschutzverletzungen rechtlich verantwortlich gemacht werden kann, ohne Hinweise, wie sich eine kostenlose App finanziert, geht man als Nutzer das Risiko ein, falsch informiert zu werden oder mit seinen persönlichen Daten zu bezahlen. Je mehr Daten man als Nutzer einer App anvertraut, umso größer das Risiko, das von einer App ausgeht. Eine Checkliste, mit man als Nutzer das Risiko einer App und deren Vertrauenswürdigkeit einschätzen kann, sowie unabhängigen Testberichte von fast 600 Gesundheits-Apps und allen 21 im Rahmen des Screenings „Krebs-Apps“ von HealthOn untersuchten Apps können nach (kostenloser) Registrierung über die unabhängige Informations- und Bewertungsplattform für Gesundheits-Apps HealthOn eingesehen werden: https://www.healthon.de/testberichte.

Fachberatung: Dr. Ursula Kramer, Geschäftsführerin HealthOn (www.healthon.de)

 

(pin)

 

Quellen:

[1] Bundesministerium für Gesundheit: CHARISMHA. Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps. 2016. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/A/App-Studie/CHARISMHA_gesamt_V.01.3-20160424.pdf

[2] Bertelsmann-Stiftung: Gesundheits-Apps können Patienten in ihrer Rolle stärken. Februar 2016. https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/der-digitale-patient/projektnachrichten/studie-gesundheits-apps/

[3] Kramer, Ursula: Apps in der Onkologie: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. FAZ Verlagsbeilage “Mit Krebs leben lernen” vom 27. Januar 2017.

[4] Müller-Steinmann, Johannes: Smartphone-App für UV-Schutz. Hrsg. In: Hautarzt Zentrum Kiel. September 2014.  http://www.hautarztzentrum-kiel.de/uv-check-app/

 [5] Maier, T. et al: Accuracy of a smartphone application using fractal image analysis of pigmented moles compared to clinical diagnosis and histological result. Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology, Volume 29, Issue 4, April 2015, 663–667.

[6] Wie nützlich sind “Hautkrebs-Apps“? Beitrag vom November 2016. http://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Wie-nuetzlich-sind-Hautkrebs-Apps,hautkrebsapps100.html

[7] Sport gegen Krebs. Hrsg. in: Health Care Bayern e.V. http://healthcare-bayern.de/de/sport-gegen-krebs.html

[8]Hamberger, Beatrice: Erste App für Krebspatienten. Hrsg. in: gesundheitstadtberlin. das hauptstadtnetzwerk. Februar 2017. https://www.gesundheitsstadt-berlin.de/erste-app-fuer-krebspatienten-11082/

[10] Passende und leckere Rezepte für Patienten mit Krebs. http://www.tumorzentrum-muenchen.de/ernaehrung/rezepte-bei-krebs.html

[11] Schumacher-Wulf, Eva: Der Zauberbaum – Neue App für Kinder krebskranker Eltern. Hrsg. in: Mamma Mia! Die Krebsmagazine. Februar 2016. http://mammamia-online.de/leben-mit-krebs/der-zauberbaum/

[12]  Basch E. et al: Overall Survival Results of a Trial Assessing Patient-Reported Outcomes for Symptom Monitoring During Routine Cancer Treatment.JAMA. 2017;318(2):197-198

[13] Denis F. et al. Randomized Trial Comparing a Web-Mediated Follow-up With Routine Surveillance in Lung Cancer Patients. J Natl Cancer Inst 2017; online 10. April. doi: 10.1093/jnci/djx029

[14] imanageCancer. http://imanagecancer.eu/about

[15] Digitalisierung und Patientensicherheit. Checkliste für die Nutzuung von Gesundheits-Apps. Hrsg.: Aktionsbündnis Patientensicherheit. 1. Auflage, Mai 2018.

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 07.05.2018

Mehr zum Thema Leben mit Krebs:

Themen:

    Zuletzt aufgerufen am: 24.04.2024 17:07