Ernährung nach Operationen am Magen
Der Magen
Der Magen nimmt die im Mund eingespeichelte, zerkleinerte und durch die Speiseröhre transportierte Nahrung auf und verarbeitet sie zu einem gut durchmischen Speisebrei weiter. Dazu produziert die Magenschleimhaut Salzsäure und eiweißspaltende Verdauungsenzyme, die die verschiedenen Nahrungsbestandteile zersetzen. Um sich selbst gegen die aggressive Magensäure zu schützen, wird die Magenschleimhaut von einem neutralen Sekret überzogen. Dort, wo diese Schutzschicht defekt ist, kann der Magen angedaut werden. Darüber hinaus wird im Magen der so genannte "Intrinsic Factor" gebildet, der für die Aufnahme von Vitamin B12 benötigt wird.
Große Bedeutung für die gesamte Verdauung hat die Speicherfunktion des Magens. Bis zu acht Stunden kann die Nahrung hier lagern - das Fassungsvermögen beim Erwachsenen liegt bei 1,6 bis 2,4 Liter - bevor sie schließlich portionsweise an den Dünnarm weitergegeben wird.
Eine teilweise oder völlige Entfernung des Magens führt zu vielfältigen Veränderungen des Verdauungsvorgangs. Das Spektrum reicht dabei von Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme bis hin zu Blutarmut und Osteoporose. Weitere Erscheinungen wie Sodbrennen, Durchfall, Druckgefühl im Oberbauch und Völlegefühl nach dem Essen können oftmals durch eine geeignete Diät, eine angepasste Lebensweise sowie durch Medikamente behandelt werden können.
Die Beschwerden werden von den Patienten sehr unterschiedlich empfunden. Einige Patienten sind trotz vollständiger Entfernung des Magens annähernd beschwerdefrei. Andere klagen über zum Teil erhebliche Beschwerden, selbst wenn ihnen noch ein Teil des Magens erhalten werden konnte.
Gewichtsverlust
Viele Magenoperierte klagen über Appetitlosigkeit. Eine wesentliche Ursache: nach der Operation ist die „Hungermeldefunktion" des Magens, die durch Hormone gesteuert wird, gestört. Hinzu kommt, dass Magenoperierte die Nahrung schlechter verwerten können als gesunde Menschen und deshalb einen höheren Kalorienbedarf haben (etwa 20 bis 30% mehr). Eine Gewichtsabnahme in den ersten Monaten nach der Operation ist normal. Oft stabilisiert sich das Körpergewicht im Laufe des zweiten Halbjahres nach der Operation wieder - manche Patienten kämpfen aber auch längerfristig gegen Untergewicht.
Ernährungstipps bei „kleinem Magen"
- Nehmen Sie anstatt weniger großer mehrere kleine Mahlzeiten zu sich – noch kann Ihr Verdauungssystem nur kleine Mengen auf einmal verarbeiten. Es sollten mindestens 5 bis 6 Mahlzeiten pro Tag sein. Noch besser ist es, alle zwei bis drei Stunden eine Kleinigkeit zu essen.
- Trennen Sie die Aufnahme fester und flüssiger Speisen zeitlich. Trinken Sie nicht zu den Mahlzeiten, sondern schluckweise und in kleinen Mengen dazwischen.
- Meiden Sie zu heiße ebenso wie zu kalte Speisen.
- Essen Sie langsam und kauen Sie gut, damit im Mund eine optimale Vorverdauung stattfinden kann.
Manchmal liegt die Ursache des Gewichtsverlustes aber auch in einer ungenügenden Verwertung des Nahrungsfettes. Neben den oben genannten Funktionen ist der Magen auch für das Zusammenspiel von Gallenblase, Dünndarm und Bauchspeicheldrüse unverzichtbar. Die Bauchspeicheldrüse produziert wichtige Enzyme für die Fettverdauung - eine Störung dieser Funktion hat eine Fettunverträglichkeit zur Folge. In der Regel können die Einnahme von Bauchspeicheldrüsenfermenten und die Aufnahme von bestimmten Fetten (MCT-Fette) hier Abhilfe verschaffen.
Das Dumping-Syndrom
Eine typische Begleiterscheinung einer Magen(teil)entfernung ist das so genannte „Dumping-Syndrom“. Der Ausdruck ist vom englischen Verb „to dump" abgeleitet, das soviel wie „stürzen“ oder „hineinplumpsen“ bedeutet. Gemeint ist damit, dass der Speisebrei wegen der beeinträchtigten Speicherfunktion des Magens zu schnell in den Dünndarm „stürzt". Man unterscheidet dabei das Früh- und das Spätsyndrom.
Das Frühsyndrom tritt innerhalb der ersten 15 Minuten nach Nahrungsaufnahme auf und äußert sich durch Druckgefühl im Oberbauch bzw. Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Schwäche- und Schwindelgefühl, Herzklopfen, Blässe, Schweißausbrüche und im Extremfall in einem Kreislaufkollaps. Weil der Speisebrei sturzartig im Dünndarm ankommt, wird dieser plötzlich und sehr stark überdehnt. Zusätzlich strömt Wasser aus der Blutbahn in den Darm, um den Speisebrei zu verdünnen, was die Dehnung des Darms noch verstärkt. Beides führt zu einem starken Abfall des Blutdrucks und damit zu den genannten Beschwerden.
Das Spätsyndrom äußert sich durch ähnliche Beschwerden, die aber erst ein bis vier Stunden nach dem Essen auftreten. Charakteristisch ist zusätzlich Heißhunger. Die Ursachen des Spätsyndroms sind jedoch andere. Weil der Speisebrei in einem Schwung im Dünndarm ankommt, wird der darin enthaltene Zucker sehr schnell vom Darm aufgenommen. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel - mit der Folge, dass Insulin ausgeschüttet wird, um den Blutzuckerspiegel wieder zu senken. Da kein Nahrungszucker mehr nachkommt, bleibt eine Unterzuckerung zurück, was zu Schweißausbrüchen, Konzentrationsstörungen und Müdigkeit führen kann.
Die Beschwerden des Dumping-Syndroms lassen sich durch Ernährungsmaßnahmen meist gut abmildern. In den meisten Fällen bessern sie sich auch im Laufe der ersten Monate nach der Operation. Lassen Sie sich in jedem Fall von Ihrem Arzt beraten.
Ernährungstipps beim Dumpling-Syndrom
- Beachten Sie die Ernährungstipps für den "kleinen Magen"
- Beobachten Sie, wann die Symptome auftreten. Meiden Sie Nahrungsmittel, die Beschwerden hervorrufen.
- Gelegentlich ist es hilfreich, eine Viertelstunde vor dem Essen eine Scheibe Brot zu verzehren.
- Legen sie sich unmittelbar nach den Mahlzeiten hin. Wenn Sie starke Beschwerden haben, versuchen Sie, im Liegen zu Essen. Aber: Legen Sie sich keinesfalls hin, wenn Ihnen der Magen völlig entfernt wurde oder Sie unter Sodbrennen leiden. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass der Speisebrei in die Speiseröhre zurückfließt.
- Meiden Sie „süße" Kohlenhydrate - insbesondere Zucker, Traubenzucker, Fruchtzucker und Honig. Diese belasten den Blutzuckerspiegel und können das Dumping-Syndrom verstärken. Süßen sie mit Süßstoffen.
- Nehmen Sie vorzugsweise ballaststoffreiche, stärkehaltige Kohlenhydrate (z.B. in Vollkornerzeugnisse und Kartoffeln) zu sich.
- Essen Sie nicht zu salzig. Dadurch erhöht sich der Wassereinstrom in den Darm, wodurch sich die Beschwerden verstärken.
Sodbrennen und Erbrechen
Viele Patienten werden nach einer Magenoperation von Sodbrennen - gelegentlich auch Brechreiz - heimgesucht. In diesem Fall besteht die Gefahr einer Entzündung der Speiseröhre mit anschließender Vernarbung und Verengung. Diese Probleme können - je nach Sitz des Tumors und der Art der Operation - verschiedene Ursachen haben. In den meisten Fällen fließt die Magensäure in die Speiseröhre oder Magensaft und Speisebrei stauen sich im Restmagen. Wurde der gesamte Magen entfernt, dringen eventuell Dünndarmsäfte und Galle in die Speiseröhre vor, was zu den gleichen Beschwerden führen kann. Das Risiko, dass scharfe Verdauungssäfte ungehindert in die Speiseröhre eindringen können, ist dann am höchsten, wenn bei der Operation der Schließmuskel zwischen Speiseröhre und Magen entfernt wurde.
Durchfall
Durchfälle nach einer Magenoperation können verschiedene Gründe haben. Zum einen können sie als Begleiterscheinungen des Dumping-Syndroms oder einer gestörten Fettverdauung auftreten. Dies kann auch der Fall sein, wenn bei der Operation die Vagusnerven durchtrennt wurden (Vagotomie).
Die Durchfälle können ferner dadurch bedingt sein, dass die Magensäureproduktion nach einer Operation eingeschränkt und die keimhemmende Funktion der Magensäure dadurch beeinträchtigt ist. Als Folge können vermehrt Infektionen auftreten, die von Durchfällen begleitet werden. In diesem Fall sollten Sie riskante Speisen wie rohes oder ungenügend gegartes Fleisch, rohe Eier und Rohmilchprodukte dringend meiden.
Meist ist der Durchfall (gekoppelt mit Blähungen) die Folge einer Milchzuckerunverträglichkeit (Laktoseintoleranz), unter der 60% der Magenoperierten leiden. Ursächlich ist ein Mangel am Enzym Laktase, welches zur Verdauung von Milchzucker notwendig ist. Die Laktase wird zwar nicht im Magen, sondern im Dünndarm gebildet – doch wenn die Magenfunktion eingeschränkt ist oder fehlt und der Dünndarm deshalb stark mit Speisebrei belastet wird, stellt sich bei Magenoperierten häufig ein Laktasemangel ein. Die einhergehenden Beschwerden lassen sich mit einer angepassten Ernährungsweise vollständig beheben.
Vitamin B12-Mangel
In der Magenschleimhaut wird der so genannte "Intrinsic Factor" gebildet, der notwendig ist, um im Darm Vitamin B12 aus der Nahrung aufzunehmen. Vitamin B12 spielt eine entscheidende Rolle bei der Blutbildung im Knochenmark und hilft beim Aufbau des gesamten Nervensystems. Zwar kann das Vitamin in der Leber gespeichert werden - aber spätestens nach einigen Jahren tritt bei Patienten, deren Magen vollständig entfernt wurde, ein Vitamin B12-Mangel auf, der unbehandelt schwerwiegende Folgen zeitigen kann.
Die typische Mangelkrankheit ist die perniziöse Anämie. Bei dieser Form der Blutarmut sind die roten Blutkörperchen vergrößert und unreif, sodass sie ihrer Aufgabe, Sauerstoff im Blut zu transportieren, nicht mehr richtig nachkommen können. Dies äußert sich zunächst durch Müdigkeit und Schwächegefühle, später durch eine vermehrte Blutungsneigung und möglicherweise Störungen des Nervensystems. Es ist unbedingt erforderlich, dass Vitamin B12 nach einer Magenentfernung regelmäßig gespritzt wird. Eine Zuführung in Tablettenform wirkt nicht, da die Mangelerscheinung eben nicht auf einen Engpass beim Vitamin selbst, sondern auf einen Mangel an „Intrinsic Factor“ zurückzuführen ist, der nach der Operation nicht mehr oder nicht mehr ausreichend gebildet wird.
Osteoporose
Des Weiteren sind Magenoperierte aus zwei Gründen einem erhöhten Osteoporose-Risiko ausgesetzt. Erstens kann die beeinträchtige Fettverdauung zu einer mangelhaften Aufnahme des fettlöslichen Vitamins D und - infolgedessen – zu einem Kalziummangel führen. Wenn der Patient darüber hinaus keinen Milchzucker verträgt und aus diesem Grund die Aufnahme von Milch und Milchprodukten einstellen muss, steht noch weniger Kalzium zur Verfügung, weil eine ausreichende Kalziumversorgung ohne Milch und Milchprodukte beinahe unmöglich ist. Wenn Sie ein paar Ernährungstipps befolgen, können Sie auch hier gut vorbeugen.
Störungen der Nahrungsausnutzung und Nährstoffverwertung lassen sich durch Ernährungsmaßnahmen zum Teil beheben. Andere müssen durch Medikamente behandelt werden:
- Wenn Ihre Fettausnutzung erheblich gestört ist, können so genannte MCT-Fette helfen.
- Sofern Sie Milchzucker nicht vertragen, müssen Sie diesen in Ihrer Nahrung begrenzen.
- Bewegen Sie sich viel im Freien. Die UV-Strahlen der Sonne regen - zumindest im Sommer - die körpereigene Vitamin D-Produktion in der Haut an.
- Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob möglicherweise eine regelmäßige Vitamin D-Injektion erforderlich ist.
- Ihr Arzt wird Sie auch darüber informieren, ob Sie Vitamin B12 gespritzt bekommen müssen und ob sie eventuell zusätzlich noch andere Nährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe oder Spurenelemente) brauchen.
Fachliche Beratung
Prof. Dr. Michael Stahl
Klinik für intern. Onkologie und Hämatologie Kliniken Essen-Mitte
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Zuletzt aufgerufen am: 09.12.2024 18:11