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Genetik verbessert Verständnis von Lungenkrebs

DNA Modell, Quelle: © Lonely - fotolia.com
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Lungenkrebs wird überwiegend in einem fortgeschrittenen Tumorstadium festgestellt. Eine Heilung ist dann unwahrscheinlich. Dennoch hat sich dank wissenschaftlicher Fortschritte gerade für Patienten mit einem fortgeschritten Lungenkrebs in den letzten Jahren viel getan. Vor allem die Genetik hat dazu beigetragen, die Erkrankung besser zu verstehen und neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. 

Diese neuen Behandlungsmöglichkeiten werden oft als „personalisierte“ oder „individualisierte“ Therapien bezeichnet. Aber was verbirgt sich dahinter? Natürlich haben Ärzte schon immer individuell behandelt. Denn es ist ein Unterschied, ob es sich um einen jüngeren oder einen älteren, einen Patienten mit oder ohne Beschwerden handelt und ob eventuell noch weitere Erkrankungen vorliegen. Auch die Gewebeart des Lungentumors (nicht-kleinzellig/kleinzellig) und das Stadium der Erkrankung geben wichtige Hinweise, welche Therapie sich am besten eignet.

Welche genetischen Informationen verbergen sich im Tumor?

Lungenkrebszentrum, Quelle: © Juice Images - fotolia.com
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Neu ist jedoch die Möglichkeit, den Tumor auch genetisch zu untersuchen. Das heißt, im pathologischen Labor wird geschaut, ob bestimmte Gene Defekte (sog. Mutationen) aufweisen, welche zur Entstehung von Lungenkrebs führen können. Diese Veränderungen werden auch als Biomarker bezeichnet. Idealerweise gibt es passende Wirkstoffe, die dem Gendefekt entgegenwirken. Sie blockieren die mutierten Anteile der Tumorzelle und verhindern damit eine weitere Ausbreitung des Tumors. Da hier – anders als bei einer Chemotherapie – der Tumor direkt adressiert wird, werden diese Wirkstoffe auch als zielgerichtete Therapien bezeichnet. Mit „personalisiert“ oder „individualisiert“ ist also meist gemeint, dass sich die Wahl der Behandlung nach der spezifischen Mutation des Tumors richtet. Demzufolge kann dieselbe Erkrankung unterschiedliche Therapien erfordern.

Für Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC) und einer EGFR-Mutation oder einer ALK-Fusion sind bereits Medikamente zugelassen:

Was ist eine EGFR-Mutation?

Bei einigen Patienten wird eine Mutation des EGF-Rezeptors (epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor) gefunden. Der EGF-Rezeptor befindet sich in der Zellmembran und hat an der Außenseite eine „Andockstelle“. Dockt ein bestimmtes Protein an den mutierten Rezeptor an, werden verstärkt Wachstumssignale ausgesendet. Eine Mutation des EGF-Rezeptors führt somit dazu, dass Tumorzellen unkontrolliert wachsen und sich vermehren können. Bei etwa zehn Prozent aller Lungenkrebspatienten lässt sich diese genetische Abweichung nachweisen, diese sind dann „EGFR-mutationspositiv“. Interessanterweise haben diese Patienten per se einen etwas besseren Krankheitsverlauf (Prognose) als Patienten, bei denen diese Mutation nicht gefunden wird. Besonders häufig treten EGFR-Mutationen bei Frauen, Nichtrauchern, bei Patienten mit einem Adenokarzinom und im Stadium IV auf. 

Welche Therapien können helfen?

Medikamente, Quelle: © seen - fotolia.com
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Derzeit gibt es drei Wirkstoffe (Gefitinib, Erlotinib, Afatinib) in Tablettenform, die der Arzt verschreiben kann. Sie blockieren den EGF-Rezeptor und verhindern damit, dass weiter Wachstumssignale ausgesendet werden. Diese Wirkstoffe werden unter dem Oberbegriff EGFR-Tyrosinkinase-Hemmer (EGFR-TKI) zusammengefasst. Bei allen konnte in Studien nachgewiesen werden, dass sie das Tumorwachstum und damit das Fortschreiten der Erkrankung für eine gewisse Zeit hinauszögern. In Studien lag dieser Wert bei knapp einem Jahr. Da dies ein sogenannter Median-Wert ist, der aus den Daten vieler Patienten errechnet wurde, ist es jedoch durchaus möglich, dass ein Lungenkrebspatient auch länger von der Therapie profitiert. Im Vergleich dazu ließ sich das Tumorwachstum bei Patienten mit einer Chemotherapie nur um sechs Monate hinauszögern. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass die Patienten eine bessere Lebensqualität haben als unter einer Chemotherapie. Bei einem Wirkstoff hat sich mittlerweile gezeigt, dass die Patienten im Vergleich zu einer Chemotherapie auch länger leben, wenn sie damit behandelt werden. Häufigste Nebenwirkungen der EGFR-Tyrosinkinase-Hemmer sind Hautausschläge und Durchfall. Bei Patienten ohne EGFR-Mutation haben die Medikamente keine Wirkung.

Was bedeutet eine ALK-Fusion?

Bei Patienten mit einem fortgeschrittenen NSCLC können auch Fusionen des sogenannten ALK-Gens vorkommen. Das Gen liefert den Bauplan für ein bestimmtes Enzym, die anaplastische Lymphomkinase (ALK), und kann eine Wucherung von Zellen auslösen, wenn es durch Fusion mit einem anderen Gen dauerhaft aktiviert wird. Das entstandene Krebsgen wird als ALK-Fusion bezeichnet.

Welche Therapie kann helfen?

Auch hierfür gibt es eine entsprechende Therapie (Crizotinib), einen sogenannten ALK-Inhibitor, der in Kapselform zur Verfügung steht. Etwa 3 bis 5% der Lungenkrebspatienten sind ALK-positiv. Mit dem ALK-Inhibitor konnte das Tumorwachstum in der Zulassungsstudie um knapp acht Monate gestoppt werden. Außerdem besserte sich die Lebensqualität der Patienten. Häufige Nebenwirkungen sind Sehstörungen, Magen-Darm-Beschwerden wie Erbrechen, Übelkeit oder Verstopfung sowie eine Erhöhung von Leberwerten. Auch hier gilt: Das Medikament kann nur Patienten helfen, bei denen die ALK-Fusion nachgewiesen wurde.

Kann ich einen Mutationstest einfordern?

Frau mit Mikroskop, Quelle: © dgrilla - fotolia.com
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Ein Mutationstest sollte heute bei jedem Patienten mit einem fortgeschrittenen NSCLC und einem Nicht-Plattenepithelkarzinom (z.B. Adenokarzinom) durchgeführt werden, bevor über die Therapie entschieden wird. Bei Zweifeln empfiehlt es sich, gegebenenfalls eine Zweitmeinung einzuholen.

Für den Mutationstest ist eine Gewebeprobe erforderlich. Da diese im Rahmen einer Bronchoskopie gewonnen wird, kann der Arzt die Analyse des Mutationsstatus direkt veranlassen. Die Mutationstestung ist eine Kassenleistung und dauert im molekularpathologischen Labor etwa 7 bis 10 Tage. Das Ergebnis sollte spätestens nach 10 Tagen vorliegen. In Deutschland gibt es zahlreiche Labors, die sich einer ständigen Qualitätskontrolle unterziehen. Letztlich hilft das Ergebnis dem Arzt zu entscheiden, ob bei dem Patienten eine zielgerichtete Therapie eingesetzt werden kann oder ob ihm eine Chemotherapie besser hilft.

Wie geht die Entwicklung weiter?

Zielgerichtete Therapien können Lungenkrebs nicht heilen, aber den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Patienten mit EGFR-Mutationen oder ALK-Fusionen machen zwar nur etwa 15 Prozent aller Lungenkrebspatienten aus. Bei 52.000 neuen Lungenkrebsfällen jedes Jahr sind das jedoch einige Tausend Patienten, bei denen die neuen Therapien eingesetzt werden können. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass sie dadurch eine längere Lebenserwartung haben.

EGFR-Mutation und ALK-Fusion sind nur zwei Beispiele dafür, wie man spezielle, auf den Tumor zugeschnittene Therapien entwickeln kann. Es sind zahlreiche weitere Mutationen bekannt, von denen man weiß, dass sie an der Entstehung von Lungenkrebs beteiligt sind. Wie sie genau entstehen, ist derzeit unklar. Aber wenn man geeignete Medikamente finden würde, die genau an diesen Mutationen ansetzen, könnte man weiteren Lungenkrebspatienten helfen. Forscher arbeiten bereits fieberhaft daran, passende Wirkstoffe zu entwickeln. Bis ein Medikament ausreichend geprüft ist und auf den Markt kommt, können jedoch bis zu 10 Jahre vergehen.

(as)

Experteninterview zum Thema

Was kann man von den neuen, zielgerichteten Therapien bei Lungenkrebs tatsächlich erwarten? Was ist ein Mutationstest, bei welchen Patienten kommt diese Untersuchung in Frage und wie wird sie durchgeführt?

Diese und weitere Fragen beantwortet Dr. med. Karl-Matthias Deppermann, Leiter der Klinik für Pneumologie der Sana Kliniken in Düsseldorf. Er ist auch der stellvertretende Vorsitzende der Pneumologisch-Onkologische Arbeitsgemeinschaft (POA) in der Deutschen Krebsgesellschaft e. V.

Dr. Karl-Matthias Deppermann
Dr. med. Karl-Matthias Deppermann

 

Quellen:

[1] Schütte et al. DKK 2014; abstr. 38532 (Poster)
[2] Mok TS et al. N Engl J Med 2009; 361(10): 947-957
[3] Rosell R et al. Lancet Oncol 2012; 13(3):239-246
[4] Sequist LV et al. J Clin Oncol 2013; 31(27): 3327-3334
[5] Thongprasert S et al. J Thorac Oncol 2011; 6(11): 1872-1880
[6] Yang JC et al. J Clin Oncol 2013; 31(27) 3342-3350
[7] Yang JC et al. J Clin Oncol 2014; 32 (5s): suppl; abstr 8004^
[8] Shaw AT et al. N Engl J Med 2013; DOI: 10.1056/NEJMoa1214886
[9] Sasaki T et al. Eur J Cancer 2010; 46(10): 1773-1780
[10] Griesinger F et al. DGHO-Leitlinie nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, Stand: Oktober 2012
[11] Griesinger F. Onkologie heute 3/2013
[12] Krebs in Deutschland 2009/2010. Berlin 2013

Fachberatung:

Dr. med. Karl-Matthias Deppermann, Leiter der Klinik für Pneumologie der Sana Kliniken Düsseldorf

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 04.05.2017

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