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Das Merkelzellkarzinom

Ein seltener, aber aggressiver Tumor ist das Merkelzellkarzinom. Es tritt vor allem bei älteren Patientinnen und Patienten ab dem 70. Lebensjahr und solchen mit geschwächtem Immunsystem auf – etwa infolge einer Erkrankung oder nach einer Organtransplantation. Das Merkelzellkarzinom neigt schon früh dazu, sich in die Lymphknoten und andere Organe auszubreiten und bildet dort Tochtergeschwülste, sogenannte Metastasen. Es kehrt trotz intensiver Chemo- und Strahlentherapie rasch zurück, sodass die Prognose für die Erkrankten oft ungünstig ist.

Ca. 0,1 bis 0,3 neue Merkelzellkarzinom-Erkrankungen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner werden jedes Jahr diagnostiziert [1]. Je nach Größe des Primärtumors überleben 50 bis 75 % der Patientinnen und Patienten die ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung. Von den Personen, deren Tumor schon bei der Diagnosestellung Metastasen gebildet hat, leben nach 5 Jahren noch 17 bis 18 % [2].

Welche Ursachen und Risikofaktoren hat das Merkelzellkarzinom?

In Europa und den USA ist seit geraumer Zeit ein Anstieg der Fälle von Merkelzellkarzinom- Erkrankungen zu beobachten. Dies könnte nach Ansicht von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern darauf zurückzuführen sein, dass viele der Tumoren mit einem Virus, dem sogenannten Merkelzell-Polyomavirus, in Verbindung stehen. Bei rund 80 % aller diagnostizierten Patientinnen und Patienten wird das Merkelzell- Polyomavirus innerhalb des Tumorgewebes festgestellt [3]. Allerdings tragen viele Menschen das Virus in sich, ohne am Merkelzellkarzinom zu erkranken, weshalb vermutet wird, dass weitere Risikofaktoren eine Rolle spielen. So könnten insbesondere Personen betroffen sein, die einer starken UV-Strahlung ausgesetzt waren oder ein geschwächtes Immunsystem haben.

Lange Zeit ging die Wissenschaft davon aus, dass Merkelzellkarzinome ihren Ursprung in den Merkelzellen der Haut haben. Diese These gilt inzwischen als überholt [4]. Derzeit werden Stammzellen der Epidermis und Dermis ebenso wie frühe B-Zellen des Immunsystems als mögliche Ausgangspunkte angesehen. Die Forschungen zur Entstehung des Merkelzellkarzinoms sind eine Grundlage dafür, dass künftig besser wirksame Therapien gegen die Krankheit entwickelt werden können.

Das Aussehen von Merkelzellkarzinomen

Am häufigsten treten Merkelzellkarzinome im Kopf-Halsbereich und an Armen und Beinen auf, seltener am Rumpf (siehe Tabelle links unten). Die Tumore sind in der Regel rötlich bis violett-bläulich gefärbt und kugelig, haben eine glatte, glänzende Oberfläche und eine eher derbe Konsistenz. Merkelzelltumore wachsen sehr rasch.

Geschwürige Veränderungen, sogenannte Ulzerationen, treten bei ihnen nur selten auf, meist erst in einem späten Stadium. Daneben gibt es, vor allem am Rumpf, auch fleckförmige Varianten [2]. Das Akronym „AEIOU“ beschreibt die typischen klinischen Eigenschaften eines Merkelzellkarzinoms (siehe Tabelle rechts unten).

Am häufigsten bilden sich Merkelzellkarzinome im Gesicht. Mod. nach [5]

 

Lokalisation des Merkelzellkarzinoms

Fälle (%)

Gesicht

26,9

Obere Gliedmaßen und Schultern

22

Untere Gliedmaßen und Hüfte

14,9

Rumpf

10,6

Kopf und Hals

9,0

keine nähere Angabe

6,0

Ohr

3,1

Augenlid

2,5

Lippen

2,4

Unbekannte Primärlokalisation

0,8

Insgesamt

98,3

Mit dem Akronym AEIOU werden die Eigenschaften von Merkelzellkarzinomen beschrieben. Mod. nach [2]

 

AEIOU – typische Eigenschaften des
Merkelzellkarzinoms

A

Asymptomatisch/schmerzlos

E

rasche Expansion

I

Immunsupprimierte Patienten

O

ältere (older) Patienten

U

Lokalisation in UV-exponierter Haut

Seltener Hautkrebs - Merkelzellkarzinom am Auge
Quelle: © Prof. Dr. Stephan Grabbe
Hautklinik und Poliklinik der
Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Seltener Hautkrebs - Merkelzellkarzinom am Bein
Quelle: © Prof. Dr. Stephan Grabbe
Hautklinik und Poliklinik der
Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Welche Untersuchungen werden beim Merkelzellkarzinom durchgeführt?

Um die Diagnose eines Merkelzellkarzinoms stellen zu können, muss eine Probe aus dem Tumorgewebe feingeweblich (histologisch) unter dem Mikroskop untersucht werden. Hierfür kann, wie bei den anderen Hautkrebsarten auch, entweder der Hauttumor vollständig entfernt und anschließend mikroskopisch untersucht werden (Exzisionsbiopsie, geeignet bei kleinen Ausgangstumoren) oder zunächst nur eine kleinere Gewebeprobe aus der Hautveränderung für die mikroskopische Untersuchung entnommen werden (Inzisionsbiopsie, sinnvoll bei Ausgangstumoren von größerer Ausdehnung).

Da sich die Tumoren rasch über die Lymphbahnen ausbreiten, müssen bei Verdacht oder bestätigtem Befund die Lymphknoten mittels Ultraschall untersucht werden. Bei der Erstdiagnose weisen bis zu 20 % der Patientinnen und Patienten eine Metastasierung der Lymphknoten auf. Sind die regionären Lymphknoten nicht erkennbar vom Tumor befallen, wird empfohlen denjenigen Lymphknoten, der dem Tumor am nächsten liegt, den sogenannten Schildwächterlymphknoten (Sentinellymphknoten), operativ zu entfernen, um ihn feingeweblich zu untersuchen. Der Ausgang dieser Untersuchung ist ein entscheidender Parameter für die Einschätzung der Prognose der oder des Erkrankten: Patientinnen und Patienten mit noch kleinen Tumoren ohne Schildwächterlymphknotenbefall haben erheblich bessere Überlebensaussichten – 81 % von ihnen sind nach drei Jahren noch am Leben [3]. Bestätigt sich in den Untersuchungen ein Lymphknotenbefall, schließen sich weitere bildgebende Untersuchungen (Ultraschall, CT und/oder MRT) an, um das Ausmaß der Tumorausbreitung festzustellen.

Bestimmung des Krankheitsstadiums

Auch beim Merkelzellkarzinom erfolgt die Klassifizierung des Tumorstadiums nach der TNM-Klassifikation (siehe hier). Die Ziffern hinter den Buchstaben geben genauere Hinweise auf die Ausdehnung des Tumors (T1–4), die Zahl und Lage der befallenen Lymphknoten (N0 und N1) und das Vorhandensein oder Fehlen von entfernt liegenden Metastasen (M0 und M1), wobei Tis für das früheste, noch sehr oberflächliche, begrenzte Tumorwachstum steht. Wenn die Ärztin oder der Arzt beim Merkelzellkarzinom beispielsweise das Stadium "T1 N0 M0" vermerkt, handelt es sich um einen Tumor mit einer maximalen Ausdehnung von höchstens 2 cm ohne Lymphknotenbefall und Metastasen in entfernten Organen. Die hieraus resultierenden Tumorstadien reichen vom Stadium 0 (Tis-Tumor ohne Lymphknotenbefall und Metastasen in entfernten Organen) über Stadium I (Tumor in größter Ausdehnung höchstens 2 cm ohne Lymphknotenbefall und Metastasen in entfernten Organen) bis hin zu Stadium IV (jede Tumorgröße mit Metastasen in entfernten Organen).

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Merkelzellkarzinom?

Operation

Die Operation ist beim Merkelzellkarzinom die Therapie der Wahl. Der Tumor wird dabei vollständig und mit einem großen Sicherheitsrand im gesunden Gewebe entfernt. Je früher Merkelzellkarzinome erkannt und bei der Operation vollständig entfernt werden, desto besser ist die Prognose der Patientinnen und Patienten. Sind der Sentinellymphknoten oder die umliegenden Lymphknoten befallen, sollten bei der Operation auch die Lymphknoten entfernt werden, um einen Rückfall bzw. eine weitere Ausbreitung des Tumors zu verhindern. Auch bei einzelnen Metastasen in anderen Organen kann unter Umständen eine Operation in Betracht gezogen werden [2].

Strahlentherapie

Durch eine unterstützende (adjuvante) Strahlentherapie des Tumorbetts und der umgebenden Lymphabflussbahnen nach der Operation kann das Risiko für einen Krankheitsrückfall gesenkt werden. Sie wird deshalb bei jeder Patientin und jedem Patienten nach erfolgter Operation empfohlen. Auch bei metastasierten Merkelzelltumoren kann eine Strahlentherapie als Ergänzung zur Operation und/oder zur systemischen, also im ganzen Körper wirkenden Therapie eingesetzt werden [2].

Immuntherapie

Im Falle einer lokal fortgeschrittenen Erkrankung oder Fernmetastasierung, bei denen eine Operation oder eine Strahlentherapie nicht mehr wirksam genug ist, können das körpereigene Immunsystem stimulierende Antikörper, sogenannte Checkpoint-Blocker, eingesetzt werden. Zugelassen ist für diese Therapie aktuell der PDL1- Blocker Avelumab. Vielversprechende Studienergebnisse gibt es bereits auch für weitere Checkpoint-Blocker wie z. B. Pembrolizumab oder Nivolumab [2].

Chemotherapie

Schreitet die Erkrankung unter einer Immuntherapie weiter fort, kann eine Therapie mit Zellgiften (Chemotherapie) sinnvoll sein. Sie kann, sofern es der allgemeine Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten zulässt, als Kombinationstherapie mehrerer Chemotherapeutika durchgeführt werden. Die Patientinnen und Patienten sprechen zunächst meist gut auf eine Chemotherapie an, jedoch ist dieser günstige Effekt oftmals nicht von langer Dauer [2].

Nachsorge beim Merkelzallkarzinom

Weil Merkelzellkarzinome oft rasch zurückkehren, wird bei der Nachsorge in den ersten zwei Jahren eine engmaschige Kontrolle alle 3 Monate empfohlen. Ab dem dritten Jahr werden die Kontrollen für weitere drei Jahre in halbjährlichen Abständen durchgeführt [2]. Darüber hinaus sind alle Patientinnen und Patienten angehalten, regelmäßig selbstständig ihre Haut zu untersuchen oder von einer Partnerin oder einem Partner untersuchen zu lassen [2]. Patientinnen und Patienten mit einem geschwächten Immunsystem sollten zudem ihre Haut besonders sorgsam vor der Sonne schützen.

Literatur:

[1] Weller K et al. Umsetzung von Leitlinien bei seltenen Erkrankungen am Beispiel des Merkelzellkarzinoms. Dtsch Arztebl 2006; 103(42): A-2791 / B-2426 / C-2334
[2] S2k-Leitlinie – Merkelzellkarzinom (MZK, MCC, neuroendokrines Karzinom der Haut) – Update 2018; https://www. awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-023.html (Abruf am 10.03.2020)
[3] Servy A et al. Merkel Cell Carcinoma: Value of Sentinel Lymph-Node Status and Adjuvant Radiation Therapy. Ann Oncol. 2016;27(5):914-9
[4] Altmeyers Enzyklopädie. https://www. enzyklopaedie-dermatologie.de/dermatologie/ merkel-zell-karzinom-2454 (Abruf am 30.03.2020)
[5] PDQ® Adult Treatment Editorial Board. PDQ Merkel Cell Carcinoma Treatment. Bethesda, MD: National Cancer Institute. Updated 2019. Available at: https://www. cancer.gov/types/skin/hp/merkel-cell-treatment- pdq [PMID: 20943647] (Abruf am 30.03.2020)

 

(akm)

Fachliche Beratung: Frau Prof. Dr. med. Selma Ugurel

Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Dermatologie sowie der Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum Essen

Ihr Schwerpunkt in der Privatambulanz liegt auf der Hautkrebsvorsorge, Blutanalysen auf verschiedene Tumormarker beim malignen Melanom, Molekulare Diagnostik an Tumorgewebeproben u.a. beim malignen Melanom und Merkelzellkarzinom und Systemtherapie bei fortgeschrittenen Hauttumorerkrankungen.

Letzte inhaltliche Aktualisierung am 07.08.2020

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Zuletzt aufgerufen am: 28.03.2024 09:55