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Therapie bei fortgeschrittenem Darmkrebs

Tabletten, Quelle: © fovito - fotolia.com
Quelle: © fovito - fotolia.com

Im fortgeschrittenen Stadium hat sich Darmkrebs bereits in alle Schichten der Darmschleimhaut ausgedehnt. Darüber hinaus können Lymphknoten befallen sein und sogar Tochtergeschwulste (Metastasen) in anderen Organen (meist Leber oder Lunge) vorliegen. In einem solchen Fall ist es nicht mehr möglich, durch eine Operation alle Tumorzellen aus dem Körper zu entfernen. Deshalb werden zusätzlich Radiochemotherapie/Chemotherapie und zielgerichtete Therapien eingesetzt.

Mittlerweile stehen immer mehr Medikamente zur Verfügung, die das Leben mit der Erkrankung deutlich erleichtern und die Lebenszeit verlängern – auch wenn eine Krebserkrankung nicht mehr heilbar ist.

Welche Medikamente zum Einsatz kommen, hängt von dem konkreten Fall ab: Wenn beispielsweise bestimmte Erkrankungen vorliegen, wie schwere Herzschwächen, Leber- oder Nierenerkrankungen, verbietet sich der Einsatz mancher Medikamente.

Operation

Auch in fortgeschrittenen Stadien muß die Möglichkeit der Operation geprüft werden. Grundprinzip der Operation ist es, den Tumor vollständig zu entfernen. Kann der Tumor nicht mehr komplett entfernt werden, steht der Erhalt der Darmdurchgängigkeit im Vordergrund. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Metastasen der Lunge, der Leber oder im Bauchraum operativ entfernt werden.

Bei ausgedehntem Tumorwachstum im Rektum wird durch die so genannte neoadjuvante Therapie (eine der OP vorgeschaltete Bestrahlung oder Chemotherapie, manchmal auch eine Kombination aus beiden Behandlungen) der Tumor zunächst verkleinert. So lässt er sich operativ leichter entfernen – in manchen Fällen wird eine Operation dadurch sogar erst möglich.

Ein tief sitzendes Rektumkarzinom kann durch seine Nähe zum Darmausgang auch den Schließmuskel beeinträchtigen und eine Stuhlinkontinenz hervorrufen. In diesem Fall muss bei der Operation der Schließmuskel komplett entfernt und ein künstlicher Darmausgang (Anus praeter, stoma) geschaffen werden. Für die Betroffenen ist das in der Regel ein großer Einschnitt in ihr bisheriges Leben.

Chemotherapie und Bestrahlung

Die klassische Chemotherapie bei Darmkrebs besteht aus den Substanzen 5-Fluorouracil und Folinsäure (5-FU / FA), Oxaliplatin und Irinotecan. Sie wird als Infusion verabreicht. Neuerdings stehen auch Wirkstoffe zur Verfügung, die als Tablette eingenommen und erst im Körper in 5-FU umgewandelt werden (Capecitabin). Durch eine Kombination von 5-FU mit Oxaliplatin oder Irinotecan kann die Wirksamkeit der Chemotherapie gesteigert werden. Welche Wirkstoffkombination im Einzelfall angewendet wird sowie die Dosierung und Länge der Behandlung richten sich nach dem Tumorstadium und dem Gesundheitszustand des Patienten.

Darmkrebs siedelt sich am häufigsten in der Leber und in der Lunge ab. Die Tochtergeschwülste (Metastasen) werden in der Regel durch eine palliative Chemotherapie behandelt. Nur bei ca. 25 % der Betroffenen ist eine operative Entfernung in Hinblick auf Heilung sinnvoll.

Verursachen Metastasen Knochenschmerzen, können diese durch eine Bestrahlung gut behandelt werden. Eine einmalige, hohe Strahlendosis ist der Gabe mehrerer kleinerer Dosen überlegen und für den Patienten weniger aufwändig.

Neue Medikamente und Verfahren

Seit Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftler mit Hochdruck an Medikamenten und Verfahren, mit deren Hilfe Krebs geheilt oder zumindest damit verbundene Beschwerden gelindert werden können. Weder bei Darmkrebs noch bei anderen Krebsarten gibt es bislang ein Mittel mit Heilungsgarantie, und doch geben die neuen Entwicklungen Hoffnung, dass das Leben auch mit fortgeschrittenem Darmkrebs immer besser und länger wird. Allerdings müssen sich alle neuartigen Wirkstoffe und Verfahren erst in Studien an einer Vielzahl von Patienten bewähren, bevor sie abschließend beurteilt werden können.

Zielgerichtete Therapien
Einen besonders hoffnungsvollen Ansatz stellen die so genannten zielgerichteten Therapien dar. Während Chemotherapeutika als Zellgifte nicht nur auf Tumorzellen wirken, sondern auch gesundes Gewebe angreifen und dadurch oftmals erhebliche Nebenwirkungen verursachen, richten sich zielgerichtete Therapien unmittelbar gegen Krebszellen. Sie wirken beispielsweise gegen Faktoren, die das Tumorwachstum fördern, unterbinden die Blutversorgung des Tumors oder verhindern die Signalübertragung zwischen Tumorzellen.

Zwei viel versprechende Entwicklungen dieser Art sind die Wachstumsrezeptorblocker und die Angiogenesehemmer:

Für die Behandlung von metastasiertem Darmkrebs ist in Deutschland der so genannte Angiogenesehemmer Bevacizumab in Kombination mit Chemotherapie zugelassen. Es handelt sich dabei um einen Antikörper, der sich gegen den Gefäßzellwachstumsfaktor VEGF (vascular endothel growth factor) richtet. VEGF wird von Darmkrebszellen ausgeschüttet, haftet sich auf der Oberfläche von Blutgefäßen an und gibt ihnen das Signal, in Richtung auf das Tumorgewebe zu wachsen. Dadurch wird der Tumor einerseits mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und gewinnt andererseits Anschluss an den Blutkreislauf, so dass er sich im Körper ausbreiten kann. Bevacizumab blockiert VEGF, hemmt dadurch die Blutversorgung des Tumors und unterbindet indirekt auch dessen Wachstum und Ausbreitung. Durch die Anwendung von Bevacizumab in Kombination mit Chemotherapie lässt sich das Fortschreiten der Krankheit nachweislich verzögern, außerdem wird die Überlebenszeit der Patienten verlängert.

In circa 90 Prozent der Fälle findet sich auf der Oberfläche von Dickdarmkrebszellen eine Bindungsstelle (Rezeptor) für den sogenannten epidermalen Wachstumsfaktor (EGF). EGF regt das Wachstum von Krebszellen an. Wird seine Bindungsstelle blockiert, kann EGF nicht mehr an der Krebszelle andocken und somit auch keine Reaktion mehr auslösen. Das Wachstum der Krebszelle wird dadurch gestört. Wirkstoffe, die den EGF-Rezeptor (EGFR) blockiert, sind Cetuximab und Panitumumab. Bevor diese Medikament eingesetzt werden können, muss jedoch geprüft werden, ob das sogenannte K-Ras-Gen mutiert ist. Das K-Ras-Gen kodiert ein Molekül, welches eine wichtige Rolle in der EGFR-Signalkette im Zellinneren spielt. Bei K-Ras-Veränderungen mit Daueraktivierung des K-Ras-Moleküls ist die hemmende Wirkung von Cetuximab oder Panitumumab weniger effizient. Das heißt, nur Patienten, bei denen dieses Gen nicht mutiert ist, profitieren von Cetuximab oder Panitumumab, und nur diese Patienten dürfen das Medikament erhalten. Beide Substanzen werden entweder zusammen mit einer Chemotherapie eingesetzt oder allein gegeben, wenn die Therapie mit Oxaliplatin oder Irinotecan versagt hat.

Lindernde Behandlungsmaßnahmen (palliative Therapie)

Ist die Erkrankung so weit fortgeschritten, dass mit einer vollständigen Heilung nicht mehr gerechnet werden kann, stehen die Linderung auftretender Beschwerden und die Lebensqualität im Vordergrund. In dieser Situation kommen alle Möglichkeiten der Therapie zum Einsatz. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, eine Operation durchzuführen, um einen drohenden Darmverschluss zu verhindern. In der Regel besteht palliative Therapie aus Chemotherapie. Mit ihr können am ehesten eine Lebensverlängerung erreicht und Beschwerden gelindert werden. Zur Behandlung von Blutungen oder drohendem Darmverschluss kommen auch andere Verfahren wie Kryotherapie oder Laserbehandlung zum Einsatz.

Schmerzen können durch geeignete Medikamente und Methoden gut behandelt werden. Die Schmerztherapie wird individuell auf die Situation des Patienten abgestimmt. 

Nachsorge bei fortgeschrittenem Darmkrebs

Natürlich gibt es kein einheitliches Nachsorgekonzept, das für jede Patientin und jeden Patient passt. Daher können die hier gegebenen allgemeinen „Standards“ nur als Anhalt dienen. Sicher ist jedoch, dass 80 Prozent aller Rezidive in den ersten beiden Jahren auftreten und nach fünf Jahren praktisch nicht mehr vorkommen. Damit lässt sich der Nachsorgebereich auf maximal fünf Jahre eingrenzen.

Über die Zeitintervalle, in denen diese Untersuchungen durchgeführt werden, lassen sich keine pauschalen Angaben machen. Sie werden von dem behandelnden Arzt auf die jeweilige Situation des Patienten
abgestimmt. In den ersten beiden Jahren nach der Operation werden die Untersuchungen in kurzen Abständen durchgeführt; danach genügen Kontrollen in längeren Zeitintervallen.

Bei den Terminen werden eine Befragung (Anamnese), eine umfassende körperliche Untersuchung und ein Ultraschall der Bauchorgane, u.a. der Leber durchgeführt, Röntgen- und CT-Untersuchungen des Brustraums sowie der Tumormarker CEA bestimmt. Eine Darmspiegelungen erfolgen in der Regel sechs Monate, drei Jahre und fünf Jahre nach der Operation.

Bemerken Sie Veränderungen oder treten Beschwerden auf, die Sie beunruhigen, dann ist ein Gang zum Arzt zu jeder Zeit sinnvoll und richtig.

(yia/red)


Quellen:
Leitlinienprogramm Onkologie (Hrsg.): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Version 1.0 – Juni 2013. Online verfügbar unter: http://leitlinienprogramm-onkologie.de/uploads/tx_sbdownloader/LL_KRK_Langfassung_1.1.pdf
H.-J. Schmoll. K. Höffken, K. Possinger (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie, Springer Verlag 2006

Fachliche Beratung
PD Dr. Ullrich Graeven
Kliniken Maria Hilf GmbH, Mönchengladbach

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 28.02.2017

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Zuletzt aufgerufen am: 28.03.2024 11:31