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Zielgerichtete Therapie beim Brustkrebs

Die zielgerichtete Krebstherapie („Targeted Therapy“) ist ein molekularbiologischer Ansatz bei der Behandlung der Patientin mit Krebs. Während die Chemotherapie eher unspezifisch wirkt und auch gesunde Zellen schädigt, können durch die neuen spezifischen Wirkstoffe („Biologicals“) zielgenauer die Krebszellen angegriffen werden – eine wirksame, aber für den Gesamtorganismus meist weniger belastende Methode.

Zielgerichtete Therapien, die derzeit bei Brustkrebs zum Einsatz kommen, richten sich gegen Botenstoffe („Liganden“), blockieren Bindestellen von Rezeptoren für diese Botenstoffe auf der Zelloberfläche oder hemmen Signalwege innerhalb der Zellen und beeinflussen damit das Tumor- bzw. das Blutgefäßwachstum. Auch die neuen Immuntherapien zählen zu den zielgerichteten Wirkstoffen, weil sie an spezifische „Checkpoints“ der Immunantwort binden und diese dadurch stimulieren. Die Entwicklung zielgerichteter Wirkstoffe ist in den letzten Jahren sehr dynamisch. Folgende Therapeutika sind von den Arzneimittelbehörden für die Behandlung von Brustkrebs zugelassen – manche in der heilbaren Situation, andere nur in der nicht-heilbaren, d. h. metastasierten Situation:

  • Zellwachstumshemmung durch Rezeptorblockade mittels HER2-Antikörper (Trastuzumab, Pertuzumab)
  • Zellwachstumshemmung durch Zytostatika/Chemotherapeutika, die in sogenannten Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten an HER2-Antikörper (Trastuzumab-Emtansin [T-DM1], Trastuzumab-Deruxtecan) oder TROP2-Antikörper (Sacituzumab Govitecan) gekoppelt sind
  • Zellwachstumshemmung durch Störung der Signalübertragung mittels Tyrosinkinase-Hemmer (Lapatinib, Neratinib, Tucatinib)
  • Zellwachstumshemmung durch Störung des mTOR-Signalswegs durch mTOR-Hemmer (Everolimus)
  • Zellwachstumshemmung durch Hemmung der CDK4/6-Kinase durch CDK4/6-Inhibitoren (Palbociclib, Abemaciclib, Ribociclib)
  • Gefäßwachstumshemmung (Angiogenese-Hemmung) mittels VEGF-Antikörper (Bevacizumab)
  • Zellwachstumshemmung durch Störung der Signalübertragung über die PI3-Kinase (Alpelisib)
  • Zelltod durch Störung der Reparatur von DNA-Schäden über die Hemmung des Reparatur-Enzyms PARP (Olaparib, Talazoparib)
  • Aktivierung des Immunsystems gegen Tumorzellen durch Bindung von Antikörpern an Immun-Checkpoints (Atezolizumab, Pembrolizumab)

Desweiteren befinden sich viele weitere zielgerichtete Ansätze in der Entwicklung und werden in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit getestet.

1. Antikörper gegen HER2

Bei 15 bis 20 Prozent aller Frauen mit Brustkrebs findet sich in Gewebeproben eine erhöhte Konzentration des Wachstumsfaktor-Rezeptors HER2. Diese Tumoren sind sehr aggressiv, betroffene Frauen hatten daher lange Zeit eine deutlich geringere Überlebenschance. Mit den neuen gegen HER2 gerichteten Therapien hat sich dies umgekehrt. Heutzutage sind die Heilungschancen und das Überleben dieser Patientinnen besser als bei HER2-negativem Brustkrebs.

Der HER2-Rezeptor kann mit gleichartigen und anderen Rezeptoren der sogenannten HER-Familie Paare bilden („dimerisieren“). Durch diese Paarbildung werden Wachstumssignale ins Zellinnere geleitet. Um diese Interaktion zu verhindern, wird der an der Zelloberfläche liegende Rezeptor durch monoklonale Antikörper blockiert. Diese Antikörper sind Eiweißstoffe (Proteine), die im Labor so hergestellt werden, dass sie in ihrer Form genau auf die Bindungsstelle, in diesem Fall den HER2-Rezeptor, passen und sich fest an ihn binden. Nun können sich die Rezeptoren nicht koppeln, der Befehl zur Zellteilung bleibt aus und der Tumor kann nicht mehr wachsen.

Der HER2-Antikörper Trastuzumab, der als Infusion verabreicht wird, wird sowohl bei Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs als auch in der vorbeugenden [(neo- oder postneo-)adjuvanten] Therapie mit guten Heilungschancen eingesetzt. Wenn für die Patientin eine Chemotherapie notwendig ist, kann die Anti-HER2-Therapie auch gleichzeitig gegeben werden. Wird Trastuzumab bereits neoadjuvant oder adjuvant gegeben, wird die Gabe auch nach Beendigung der Chemotherapie fortgesetzt, so dass die Patientinnen insgesamt über ein Jahr den Antikörper erhalten. Als Nebenwirkungen der Trastuzumab-Therapie treten neben allergischen oder grippeähnlichen Symptomen, die oft nur bei den ersten Infusionen Beschwerden machen, mitunter Herzprobleme auf, so dass die Herzfunktion der Patientinnen regelmäßig kontrolliert werden muss. In der Regel erfolgt dies durch einen Herzultraschall alle drei Monate.

Der Antikörper Pertuzumab ist seit 2013 in Kombination mit Trastuzumab und Chemotherapie für die Behandlung sowohl von Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs als auch seit 2015 in der neoadjuvanten (präoperativen) Situation zugelassen. In der letzteren Situation kann dieser bei Patientinnen mit einem Tumor über 2 cm, bei positiven Lymphknoten oder anderen Konstellationen mit hohem Risiko vor der eigentlichen Operation gegeben werden.

Er wirkt ähnlich, aber nicht genau gleich wie Trastuzumab, und die Kombination beider Wirkstoffe mit einer Chemotherapie ist besonders effektiv. Die Nebenwirkungen entsprechen in ihrer Art denen der alleinigen Trastuzumab-Therapie, treten aber insgesamt etwas häufiger auf, mit Ausnahme der Herzbeschwerden.

2. Antikörper-Wirkstoff-Konjugate: „Bewaffnete“ Antikörper

Seit ein paar Jahren werden Antikörper-Wirkstoff-Konjugate getestet. Drei davon sind bereits für Brustkrebs zugelassen: Trastuzumab-Emtansin (T-DM1), Trastuzumab-Deruxtecan und Sacituzumab-Govitecan. Die beiden erstgenannten koppeln den gegen HER2 gerichteten Antikörper Trastuzumab in einer festen Verbindung an ein Chemotherapeutikum. Erst bei Bindung an HER2 wird das Chemotherapeutikum in die Zelle frei gesetzt und entfaltet dort seine toxische Wirkung. Auf diese Weise gelangt das Zellgift gezielt an Tumorzellen und gesunde Zellen werden geschont. Man kann sagen, dass die HER2-Antikörper mit Waffen ausgerüstet werden für den Kampf gegen die Krebszellen. Bei Sacituzumab-Govitecan verhält es sich ähnlich. Nur ist hier das Chemotherapeutikum Govitecan an den gegen TROP2 – ein weiteres Oberflächenprotein auf Tumorzellen - gerichteten Antikörper Sacituzumab gekoppelt. Das Prinzip ist aber dasselbe: Eine Chemotherapie, die durch die spezifische Wirkung nur auf Krebszellen sehr viel weniger Nebenwirkungen als eine herkömmliche Chemotherapie hat und auch eine erhöhte Wirksamkeit.

T-DM1 darf bei Patientinnen eingesetzt werden, die neoadjuvant mit Trastuzumab und einer taxanhaltigen Chemotherapie vorbehandelt wurden, bei denen diese Therapie aber nicht ausreichte, um den Tumor genügend schrumpfen zu lassen. Sie erhalten dann adjuvant T-DM1. Auch im metastasierten oder lokal fortgeschrittenem, nicht operablen Stadium der Erkrankung kann T-DM1 unter bestimmten Voraussetzungen eingesetzt werden. Das Arzneimittel wird als Infusion alle drei Wochen gegeben, entweder 14 Mal in Folge bei frühem Brustkrebs oder bis zum Krankheitsfortschreiten im fortgeschrittenen Stadium. Nebenwirkungen können sein: niedrige Blutplättchenwerte, hohe Leberwerte, Lungenentzündung oder periphere Neuropathie (Nervenschädigungen vor allem an Händen und Füßen, die sich in Kribbeln oder Schmerzen äußern können).

Trastuzumab-Deruxtecan wurde erst im Jahr 2021 zugelassen. Die Wirkweise und die Art der Verabreichung ähnelt der von T-DM1. Dieses Antikörper-Wirkstoff-Konjugat darf Patientinnen gegeben werden, die einen fortgeschrittenen inoperablen oder einen metastasierten Brustkrebs haben und schon mindestens zwei gegen HER2 gerichtete Vortherapien erhalten haben. Nebenwirkungen sind vor allem Übelkeit, Müdigkeit und Haarausfall.

Ähnlich verhält es sich bei Sacituzumab Govitecan. Hier ist allerdings der Antikörper gegen TROP2 gerichtet und bringt ein anderes Zytostatikum mit, einen Abkömmling von Irinotecan. Diese Substanz wurde im November 2021 zugelassen für Patientinnen mit einem triple-negativem Brustkrebs, der nicht operabel ist oder sich im metastasierten Stadium befindet, sofern sie schon 2-3 medikamentöse Vortherapien gehabt hat. Auch dieser Wirkstoff kann, ähnlich wie eine Chemotherapie, Übelkeit und Erbrechen verursachen, so dass hier eine übliche Behandlung gegen diese Nebenwirkung erfolgen muss.

3. Tyrosinkinase-Hemmung gegen HER2

Nicht nur durch die Blockade der an der Zelloberfläche liegenden HER2-Rezeptoren durch Antikörper kann das Zellwachstum gehemmt werden. Tyrosinkinase-Hemmer wirken im Inneren der Zelle. Diese Stoffe werden als „Small Molecules“ bezeichnet, da sie im Vergleich zu anderen Substanzen sehr klein sind. Dadurch können sie direkt in die Zelle eindringen und blockieren dort den inneren Teil der Rezeptoren, die Tyrosinkinasen. So wird innerhalb der Zelle die Übertragung des Teilungssignals gestört; die Zellteilung bleibt aus.

Für die Therapie bei fortgeschrittenem, HER2-positiven Brustkrebs ist seit 2008 der Tyrosinkinase-Hemmer Lapatinib zugelassen, sofern der Krebs nach einer Trastuzumab-Behandlung fortgeschritten ist. Er blockiert die Signalübertragung der Wachstumsfaktor-Rezeptoren HER2 und EGFR. Lapatinib kann als Tablette entweder allein oder mit Trastuzumab, einer Chemotherapie oder einer endokrinen Aromatasehemmer-Therapie kombiniert eingenommen werden. Typische Nebenwirkungen dieser Behandlung sind Durchfall, Hautausschlag („Rash“, Hand-Fuß-Syndrom), Müdigkeit sowie Leberfunktionsstörungen.

Der Tyrosinkinase-Hemmer Neratinib blockiert drei Signalübertragungswege über die Rezeptoren HER2, HER4 und EGFR. Er ist seit August 2018 nur für das frühe Stadium von Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs zugelassen, und zwar für die erweiterte adjuvante Therapie nach einer Trastuzumab-Vortherapie.

Der dritte Tyrosinkinase-HemmerTucatinib - ist erst seit 2021 und nur in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin zur Behandlung von HER2-positivem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs nach mindestens zwei gegen HER2 gerichtete Behandlungen zugelassen. Er hemmt die Signalübertragung über HER2 und HER3.

4. mTOR-Hemmung: Endokrine Resistenzen umgehen

Eine zielgerichtete Therapie, die bei Frauen mit fortgeschrittenem, Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs zum Einsatz kommt, ist die Behandlung mit einem sogenannten mTOR-Inhibitor.

Innerhalb der Zelle werden Informationen über Teilung und Wachstum durch verschiedene Signalwege weitergeleitet. Hierbei handelt es sich um eng miteinander verknüpfte Prozesse, die von verschiedensten Molekülen abhängig sind. Durch die Überaktivität des sogenannten mTOR-Signalweges kann es bei ursprünglich hormonsensiblen Zellen zu einer Resistenz gegen antihormonelle Therapien kommen. Das bedeutet, dass die Tumorzellen trotz endokriner Behandlung weiterwachsen. Wird dieser Signalweg aber blockiert, dann reagieren die Tumorzellen wieder auf antihormonelle Wirkstoffe. Damit kann der Einsatz einer Chemotherapie weiter hinausgezögert werden.

Der mTOR-Hemmer Everolimus ist seit 2012 in Kombination mit dem Aromatasehemmer Exemestan für die Behandlung von Hormonrezeptor-positivem, metastasierten Brustkrebs bei Frauen nach der Menopause zugelassen, wenn die Erkrankung nach oder während der Behandlung mit einem anderen (nicht-steroidalen) Aromatasehemmer (Letrozol oder Anastrozol) fortgeschritten ist.
Everolimus ist vergleichsweise nebenwirkungsreich, und der Einsatz sollte daher sorgfältig gegen den Nutzen abgewogen werden. Typische Nebenwirkungen von mTOR-Inhibitoren sind verschiedene Infektionen, Mundschleimhautentzündungen sowie entzündliche (abakterielle, d. h. nicht durch eine Infektion ausgelöst) Veränderungen der Lunge. Außerdem ist zu beachten, dass einige Medikamente (z B. bestimmte Blutdruck- und Cholesterinsenker, Antibiotika, Mittel gegen Pilzinfektionen) sowie Johanniskraut und Grapefruitsaft aufgrund möglicher Wechselwirkungen nicht zusammen mit Everolimus eingenommen werden sollten.

5. CDK4/6-Hemmung: Endokrine Resistenzen verhindern oder umkehren

Die CDKs (Cyclin dependend kinases) stellt eine Gruppe von Enzymen dar, welche eine wesentliche Rolle im Zellzyklus spielen und für die Zellteilung von Tumorzellen bedeutsam sind. Diese sind insbesondere in den Hormonrezeptor-positiven Brustkrebszellen hoch reguliert. Eine erhöhte CDK4/6-Aktivität führt zu einem erhöhten Wachstum und geht mit einer Resistenz auf Hormontherapien einher.

In Studien haben CDK4/6-Inhibitoren eine sehr gute Wirksamkeit in Kombination mit einer endokrinen Therapie gezeigt. Inzwischen sind drei Wirkstoffe zugelassen: Palbociclib, Ribociclib und Abemaciclib. Aufgrund der überzeugenden Daten können sie bereits ab der ersten Therapielinie bei Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativen metastasiertem Brustkrebs in der Kombination mit einer antihormonellen Therapie eingesetzt werden. Frauen vor den Wechseljahren benötigen zwingend die zusätzliche Hemmung der Eierstockfunktion mit den so genannten GnRH-Analoga.

Die CDK4/6-Inhibitoren zeigen auch Nebenwirkungen, die unter alleiniger endokriner Therapie nicht auftreten. Dazu gehören der Abfall der weißen Blutkörperchen (Neutropenie), Durchfall und Herzrythmus-Störungen, die sich im EKG zeigen.

6. Gefäßwachstums-Hemmung (Angiogenese-Hemmung)

Damit Tumorzellen wachsen und sich im Körper ausbreiten können, benötigen sie Sauerstoff und Nährstoffe. Hat der Tumor eine bestimmte Größe erreicht, kann er seine „Nahrung“ nicht mehr aus seiner nächsten Umgebung beziehen, sondern muss selbst für seine Versorgung Blutgefäße neu bilden. Dafür sendet er einen Botenstoff, den Wachstumsfaktor VEGF aus, der umliegende Blutgefäße dazu anregt, Abzweigungen zum Tumor zu bilden. Diese Neubildung von Blutgefäßen nennt man „Angiogenese“ (griech.: Angio = Gefäß; Genese = Entstehung).

Für eine der molekularbiologischen Therapien ist dieser Wachstumsfaktor der Ziel- und Angriffspunkt: Der monoklonale Antikörper Bevacizumab bindet an den Wachstumsfaktor VEGF und blockiert ihn, so dass er nicht mehr an den Blutgefäßzellen andocken kann, um dort ein Wachstumssignal auszulösen. In der Folge werden keine Gefäße zum Tumor hin gebildet, so dass er nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt wird und schrumpft. Seit 2007 ist Bevacizumab in Kombination mit einer taxanhaltigen Chemotherapie für die Behandlung von Patientinnen mit einem HER2-negativen metastasierten Brustkrebs zugelassen. Durch die Gabe von Bevacizumab in Kombination mit einer Chemotherapie kann das Tumorwachstum bei Patientinnen mit einem metastasierten Brustkrebs vorübergehend aufgehalten werden, wenn auch kein Überlebensgewinn bisher nachgewiesen werden konnte. Bevacizumab wird als Infusion mit der begleitenden Chemotherapie alle drei Wochen verabreicht und kann als Nebenwirkung unter anderem Bluthochdruck, Thrombosen, Embolien oder vermehrte Eiweißausscheidung im Urin verursachen; sehr selten sind schwere Nebenwirkungen wie Darmperforationen. Nach Beenden der Chemotherapie wird Bevacizumab in der Regel alleine weiter verabreicht.

Um den Einsatz von Bevacizumab bei Brustkrebs gibt es Diskussionen, in deren Folge eine vorübergehende Zulassung des Medikamentes für diese Erkrankung in den USA zurückgezogen wurde. In der EU darf der Antikörper weiterhin verordnet werden. Im Einzelfall sollte die Patientin im Gespräch mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt den potenziellen Nutzen und mögliche Risiken dieser Therapie sorgfältig abwägen.

7. PARP-Hemmung: Krebszelltod durch Störung der DNA-Reparatur

Zwei Inhibitoren des DNA-Reparaturenzyms PARP (Poly-ADP-Ribose-Polymerase) sind zur Behandlung von Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium zugelassen: Olaparib und Talazoparib. Für beide ist eine Mutation in den BRCA-Genen Voraussetzung für die Verschreibung.
Die BRCA-Gene (BRCA = Breast Cancer) wurden so benannt, weil sie zuerst beim Brustkrebs als sogenannte Tumorsuppressorgene entdeckt wurden. Aber auch andere Krebsarten hängen von ihnen ab. Tumorsuppressorgene sind Gene, die wichtig sind bei der Verhinderung von Krebs im gesunden Menschen. Sie spielen beispielsweise eine wichtige Rolle bei der Reparatur der DNA und können so verhindern, dass gesunde Zellen zu Krebszellen mutieren. Sind sie aber selbst mutiert und funktionieren deshalb nicht richtig, so ist das Risiko hoch, dass sich gesunde Zellen in Krebszellen verwandeln. Bei Brustkrebs sind zwischen fünf und zehn Prozent der Patientinnen Trägerin einer BRCA1- oder BRCA2-Mutation. In den Krebszellen mit BRCA-Mutation ist also der DNA-Reparaturmechanismus bereits gestört. PARP ist ein weiteres Enzym, das Schäden in der Erbinformation reparieren kann. Wird dieses durch einen PARP-Inhibitor gehemmt, so häufen sich die Schäden in der Erbinformation der Krebszellen, die dann nicht mehr überlebensfähig sind und absterben. Olaparib ist seit April 2019 zugelassen für Patientinnen mit HER2-negativem Brustkrebs, der metastasiert oder lokal fortgeschritten ist. Talazoparib ist seit Juni 2020 auf dem deutschen Arzneimittelmarkt erhältlich für HER2-negativen, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Brustkrebs zugelassen bei vorbehandelten Patientinnen.

Für die Gabe beider Wirkstoffe ist die Voraussetzung der Nachweis einer BRCA-Mutation. Die Substanzen werden als Tablette eingenommen und die Behandlung wird so lange fortgesetzt bis es zu einem Krankheitsprogress kommt oder Nebenwirkungen zu einem Abbruch zwingen. Bei beiden Arzneimitteln betreffen die Nebenwirkungen besonders häufig das blutbildende System mit der Folge Blutarmut oder Anämie, Abfall der weißen Blutkörperchen (Neutropenie oder Leukopenie) oder der Blutplättchen (Thrombozytopenie). Außerdem kann es zu Störungen des Magen-Darm-Trakts kommen (Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, etc.), Erschöpfung oder Kopfschmerzen.

8. PI3-Kinase-Hemmung mit Alpelisib in Kombination mit Fulvestrant

Diese moderne zielgerichtete Therapie wurde im Mai 2021 durch den Hersteller vom deutschen Markt zurückgezogen und muss seither vom Apotheker aus dem Ausland, meist aus Österreich, besorgt werden. Grund dafür waren gescheiterte Preisverhandlungen mit den Krankenkassen.
Nichtsdestotrotz ist der Wirkstoff Alpelisib in Europa seit Juli 2020 zugelassen und wird von Fachgesellschaften für eine bestimmte Patientinnengruppe empfohlen. In Kombination mit Fulvestrant dürfen die Therapie postmenopausale Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs nach Versagen der antihormonellen Therapie erhalten, sofern bei ihnen eine PIK3CA-Mutation nachgewiesen werden kann.

Alpelisib blockiert die Wachstumssignal-Übertragung durch Hemmung der Kinase PI3K. Bei Patientinnen mit einer Mutation im Gen für PI3K (PIK3CA), die die Kinase überaktiv macht, hat Alpelisib in Studien gute Wirksamkeit gezeigt. Die Hemmung von PI3K bewirkt darüber hinaus eine vermehrte Produktion von Östrogenrezeptoren auf den Zellen. Deswegen trägt die gleichzeitige Gabe des Anti-Östrogens Fulvestrant zu einem verstärkten wachstumshemmenden Effekt bei.

Alpelisib wird als Tablette eingenommen. Zu den Nebenwirkungen zählen Störungen des Zuckerstoffwechsel (Hyperglykämie), Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt (Durchfall, verminderter Appetit, Erbrechen), Hautreaktionen (Mundschleimhautentzündung, Hautausschlag) und Fatigue. Alpelisib hat außerdem fruchtschädigende Eigenschaften. Es darf daher nicht von schwangeren Frauen eingenommen werden, ist allerdings auch nur für Frauen im nicht-gebärfähigen Alter zugelassen.

9. Immuntherapie bei Brustkrebs

Das Immunsystem ist bereits bei der Verhinderung von Krebs ein wichtiger Player, aber auch bei der Bekämpfung von bereits entstandenen Tumoren. Diese wiederum schützen sich gegen die körperliche Immunabwehr mittels vielfältiger Strategien. In der Immunonkologie wird mit neuartigen Immuntherapeutika versucht, diese Immunabwehr des Krebstumors gezielt auszuschalten und das Immunsystem wieder scharf zu machen gegen die Krebszellen. Zu den vielversprechendsten Substanzen gehören dabei die sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, die bereits zur Behandlung vieler Krebsarten zugelassen sind.

Erst kürzlich haben Checkpoint-Inhibitoren auch bei der Behandlung von Brustkrebs in bestimmten Situationen Einzug gehalten. Atezolizumab und Pembrolizumab sind seit August 2019 und November 2021 jeweils in Kombination mit einer Chemotherapie zur Therapie des Triple-negativen Brustkrebs zugelassen, also wenn der Tumor sowohl bezüglich der Hormonrezeptoren als auch bezüglich HER2 negativ ist. Beide können erst im Stadium des lokal fortgeschrittenen und nicht mehr operablen oder metastasierten Brustkrebs eingesetzt werden. Voraussetzung für die Verschreibung beider Substanzen ist, dass das Oberflächenprotein PD-L1 auf den Tumorzellen in hoher Konzentration vorliegt. Dies muss in pathologischen Untersuchungen vorab getestet werden. Atezolizumab wird zusammen mit dem Taxan nab-Paclitaxel eingenommen, bei Pembrolizumab wurden mehrere Chemotherapieoptionen untersucht.

Auch wenn Immuntherapeutika im Allgemeinen gut verträglich sind, konfrontieren sie die Onkologie doch auch mit einem neuen Spektrum an Nebenwirkungen. Besonders häufig sind dabei Haut, Magen-Darm-Trakt, das endokrine System, Leber und Lunge betroffen. Meist sind die Nebenwirkungen leicht oder moderat und treten innerhalb der ersten drei Monate auf. Es kann aber auch zu schwerwiegenden oder sogar lebensbedrohlichen Ereignissen, auch noch ein Jahr nach Therapieende, kommen. Meist können immunvermittelte Nebenwirkungen durch die Gabe von Kortison gut behandelt werden. Bei schweren Nebenwirkungen muss die Immuntherapie abgesetzt oder pausiert werden.
Da in der Immunonkologie aktuell viele Studien durchgeführt werden, ist zu erwarten, dass in naher Zukunft noch weitere Immuntherapeutika und Kombinationen mit solchen zugelassen werden.

Quellen:

AGO Empfehlungen „Diagnosis and Treatment of Patients with Primary and Metastatic Breast Cancer”, Stand: März 2021: https://www.ago-online.de/leitlinien-empfehlungen/leitlinien-empfehlungen/kommission-mamma

Patientenratgeber zu den Empfehlungen der AGO Kommission Mamma, Stand: 2019: https://www.ago-online.de/fileadmin/ago-online/downloads/AGO_Brustkrebs_2019.pdf

Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms, Langversion 4.4, Stand: Juni 2021: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/mammakarzinom/

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 27.07.2022

Prof. Lüftner Fachberatung Brustkrebs
Quelle: © DIGIMED Verlag GmbH

Fachliche Beratung

Prof. Dr. med. Diana Lüftner ist ärztliche Leitung und Chefärztin der Immanuel Klinik Märkische Schweiz mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie. Ihr Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet der soliden Tumore, insbesondere des Mammakarzinoms in allen Erkrankungsstadien, der gastrointestinalen Tumore sowie der Supportivtherapie.
Immanuel Klinik Märkische Schweiz

 

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Prof. Dr. med. Volkmar Müller ist Stellvertretender Klinikdirektor mit leitung der konservativen gynäkologischen Onkologie und der onkologischen Tagesklinik im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Er ist Facharzt für Freienheilkunde und Geburtenhilfe mit Schwerpunkt Palliativmedizin und Medikamentöse Tumortherapie.
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

 

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Prof. Dr. med. Anton Scharl ist Direktor der Frauenklinik der Kliniken Nordoberpfalz AG. Er leitet zudem das zertifizierte Brustzentrum und das Perinatalzentrum.
Kliniken Nordoberpfalz AG

 

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Zuletzt aufgerufen am: 28.03.2024 15:56