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Prognosetests bei Brustkrebs

Gene, Quelle: © lily - fotolia.com
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Viel hilft viel, sagt der Volksmund. Dieser Gedanke prägte auch die Brustkrebs-Therapie über viele Jahrzehnte. In der Praxis hieß dies zumeist, dass auf die operative Entfernung eines Brusttumors eine Chemotherapie folgte (adjuvante Chemotherapie). Damit sollten eventuell noch vorhandene Krebszellen abgetötet werden. Durch die neue Möglichkeit, Tumoren genetisch zu analysieren, hat sich die Krebstherapie jedoch grundlegend gewandelt. Während früher alle Patienten nach dem „Gießkannenprinzip“ die gleiche Behandlung erhielten, steht heute mehr und mehr der einzelne Patient mit seinen spezifischen Tumoreigenschaften im Blick. Oft wird in diesem Zusammenhang von „personalisierter“ oder „individualisierter“ Therapie gesprochen.

Bei Patientinnen mit Brustkrebs hat diese Entwicklung zu so genannten Prognosetests geführt, die helfen, den Krankheitsverlauf einer Brustkrebserkrankung besser einzuschätzen. „Mit diesen modernen Prognosetests kann man heute überflüssige Chemotherapien vermeiden“, erläutert die Brustkrebsspezialistin Prof. Nadia Harbeck im Interview . Denn sie helfen dem Arzt bei der Entscheidung, bei wem eine Chemotherapie notwendig ist und wem sie erspart werden kann, ohne dass ein Rückfall befürchtet werden muss.

Dass eine Chemotherapie wirkt, ist unbestritten. Aber nicht jede Brustkrebspatientin profitiert gleichermaßen. Dies hängt davon ab, wie aggressiv der Tumor bzw. wie hoch ihr individuelles Risiko ist, einen Rückfall (Rezidiv) zu bekommen. Erwiesen ist, dass Frauen mit einem geringen Rezidivrisiko auch nur einen geringen Nutzen von einer Chemotherapie nach Operation haben. Schätzungen zufolge betrifft dies bis zu 60 Prozent der Patientinnen mit frühem Brustkrebs, so die Expertin Prof. Nadia Harbeck . Warum sollten sie also unnötig mit den Nebenwirkungen einer Chemotherapie belastet werden? Prognosetests können dabei helfen, diese Patientinnen herauszufiltern.

Was kann ein Prognosetest leisten?

Zellen in der Brust, Quelle: © Sebastian Kaulitzki - fotolia.com
Quelle: © Sebastian Kaulitzki - fotolia.com

Prognosetests analysieren die Konzentration bestimmter Eiweiße oder verschiedene Gene, deren Eigenschaften eine Aussage über den Krankheitsverlauf ermöglichen. Bei dieser Betrachtung spielen eventuelle Therapieoptionen keine Rolle. Das Ergebnis hilft dabei zu beurteilen, welche Frau eine adjuvante Chemotherapie bekommen sollte und welche nicht. Entscheidend ist dabei nur, als wie aggressiv der Tumor eingestuft wird. Im Unterschied zu diesen prognostischen Kriterien dienen prädiktive Tests dazu herauszufinden, wie wirksam eine Therapie bei einer bestimmten Patientin sein wird. Sie untersuchen zum Beispiel, ob bestimmte Mutationen vorliegen, bei denen spezifische Medikamente besonders wirksam sind. Hier ist also nicht mehr die Frage, ob therapiert werden soll, sondern womit. 

Während Frauen mit einem hormonrezeptor-negativen, triple-negativen bzw. HER2-positiven Brustkrebs nach der Operation immer eine Chemotherapie bekommen sollten, empfiehlt sich bei hormonrezeptor-positiven Patientinnen vor der Entscheidung eine Risikoabschätzung. Verschiedene Faktoren werden dabei betrachtet: Alter, Tumorgröße, Lymphknotenbefall, Gewebeeigenschaften (Histologie), der Wachstumsfaktor Ki-67 (Hinweis auf Aggressivität des Tumors), Hormonrezeptorstatus und HER2-Status. Darüber hinaus bieten Prognosetests die Möglichkeit, zusätzlich tumorbiologische Faktoren zu analysieren. Bestimmte Tests wie der Onkotype DX® liefern sowohl prädiktive als auch prognostische Ergebnisse. Umgangssprachlich wird dennoch meist ganz allgemein von "Prognosetests" gesprochen. Insgesamt gibt es derzeit bei Brustkrebs vier solcher Tests:

  • Femtelle® - uPA/PAI-1-Test
  • MammaPrint®
  • EndoPredict®
  • Oncotype DX®

Für wen ist ein solcher Test sinnvoll?

Ärztin, Patientin, Angehöriger
Quelle: © Sean Justice Corbis - fotolia.com

Die Tests unterscheiden sich sowohl in der Durchführung als auch hinsichtlich der Belastbarkeit. Das heißt, sie wurden unterschiedlich aufwändig in Studien geprüft. Grundsätzlich kommen sie nur bei Brustkrebspatientinnen in Frage, die mit der Aussicht auf Heilung (kurativ) behandelt werden. Jedoch sind sie nur bei einem Teil dieser Frauen sinnvoll. So eignen sich Oncotype DX® und EndoPredict® nur für Frauen mit einem hormonempfindlichen Tumor. Auch die Zahl der befallenen Lymphknoten entscheidet darüber, ob ein Test eingesetzt werden kann oder nicht.

Welche Prognosetests gibt es?

Für den Femtelle® (uPA/PAI-1-)Test, der in Deutschland entwickelt wurde, liegen mittlerweile umfangreiche Studiendaten und praktische Erfahrungen vor. uPA und PAI-1 sind Proteine, die Aufschluss darüber geben, wie hoch das Risiko für einen Krankheitsrückfall ist. Erhöhte Konzentrationen im Tumor sprechen für einen ungünstigen Krankheitsverlauf. Der Test kommt nur bei Frauen mit Brustkrebs ohne Lymphknotenbefall infrage. Werden bei ihnen niedrige Werte von uPA/PAI-1 festgestellt, müssen sie nicht unbedingt eine adjuvante Chemotherapie erhalten. Da aufgrund des Testergebnisses nur ein geringes Risiko für einen Rückfall besteht, haben sie gegenüber Patientinnen, die eine Chemotherapie bekommen würden, keinen Nachteil zu befürchten.

Der MammaPrint®-Test untersucht 70 Gene, die ebenfalls Rückschlüsse auf das Rückfallrisiko zulassen. Mit seiner Hilfe lässt sich herausfinden, ob eine bestimmte Patientin zur Niedrigrisikogruppe gehört. Ist dies der Fall, hätte sie von einer adjuvanten Chemotherapie sehr wahrscheinlich keinen größeren Nutzen, als wenn sie diese Therapie nicht bekommen würde. Der Test eignet sich bei Frauen mit Brustkrebs im Stadium I oder II, die keinen Lymphknotenbefall haben oder bei denen maximal der Wächterlymphknoten befallen ist.

Oncotype DX® ist ein so genannter Multi-Gentest, der 21 Gene analysiert. Er wurde getestet bei Frauen mit östrogenrezeptor-positivem, nodal-negativem und -positivem Brustkrebs, bei denen maximal drei Lymphknoten befallen sind und die bereits eine Hormontherapie erhalten.

Der EndoPredict®-Test analysiert acht Gene, die das Tumorwachstum beeinflussen und stellt eine Option bei postmenopausalen, hormonrezeptorpositiven Patientinnen dar, die mit einer Hormontherapie behandelt wurden. Mit seiner Hilfe lassen sich Patientinnen identifizieren, die eine sehr gute Prognose haben und keine weitere Chemotherapie mehr benötigen. Neueste Studienergebnisse weisen darauf hin, dass der Test möglicherweise mehr Frauen mit einem niedrigen Risiko herausfindet als der upa/PAI-1-Test. Voraussetzung ist, dass die Erkrankung östrogenrezeptor-positiv bzw. HER2-negativ ist.

Wichtig: Für einige der Tests (uPA/PAI-1, Mammaprint) ist frisches Tumorgewebe erforderlich. Das heißt, dass bereits vor der Operation entschieden werden muss, ob ein solcher Test durchgeführt werden soll.

Wer trägt die Kosten?

Hände schütteln, Quelle: © Sandor Kacso - fotolia.com
Quelle: © Sandor Kacso - fotolia.com

Derzeit sind Krankenkassen nicht verpflichtet, die Kosten für Prognostetests bei Brustkrebs zu tragen. Wie Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, betont "waren und sind solche Tests nicht Bestandteil des GKV-Leistungskataloges. Die Aufnahme eines solchen Tests wäre die Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses." Einzelne Krankenkassen übernehmen im Rahmen von Studien jedoch die Kosten.

Warum werden Prognosetests noch nicht flächendeckend angewendet?

Durch Medien und Werbematerialien sind Prognosetests für Brustkrebs-Patientinnen gut bekannt. Doch hinter der starken Präsenz stehen nicht zuletzt auch kommerzielle Interessen. Damit die Tests ins Standardrepertoire einer Behandlung aufgenommen werden, müssen sie ihren Nutzen noch wissenschaftlich stärker nachweisen können: Während für den uPA/PAI-1-Test Daten aus prospektiven Studien vorliegen, wurden die drei Multi-Gen-Tests bisher nur retrospektiv, also rückblickend auf Grundlage von Material aus Tumordatenbanken untersucht. Daher wird in Deutschland bislang nur der upa/PAI-1-Test von der hierfür zuständigen Fachgesellschaft, der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie, empfohlen. Alle anderen Tests können im Einzelfall als sinnvolle Ergänzung für die Therapieentscheidung herangezogen werden. "Tests wie EndoPredict oder Oncotype DX sind gute Tests und können von großem Nutzen für einzelne Frauen sein", sagt Prof. Wolfgang Janni, stellvertretender Sprecher der Kommission Mamma der AGO im Hamburger Abendblatt. "Sie sind aber nach bisheriger Datenlage noch nicht für eine breite Gruppe von Brustkrebspatientinnen routinemäßig zu empfehlen."

Da zu diesem Thema jedoch in absehbarer Zeit neue Studienergebnisse zu erwarten sind, werden die Empfehlungen immer wieder neu angepasst. In Amerika wird der Oncotype-Test sowohl in den Behandlungsleitlinien der Amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO) als auch des US-amerikanischen Krebsnetzwerks (NCCN) empfohlen. Auch das britische „National Institute for Health and Care Excellence (NICE)“ empfiehlt diesen Test bei Patientinnen mit invasivem Brustkrebs im Frühstadium.

Prof. Nadia Harbeck im Interview

Quelle: © dkg-web.gmbh

Für wen Prognosetests bei Brustkrebs in Frage kommen, wie sie funktionieren und was dabei zu beachten ist, erläutert Prof. Nadia Harbeck, Leiterin des Brustkrebszentrums am Universitätsklinikum München, im Interview. Außerdem stellt die Expertin die ADAPT-Studie vor, die sie zusammen mit Prof. Ulrike Nitz (Mönchengladbach) leitet.

 

(as)

 

Quellen:
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Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 23.02.2017

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