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Erdafitinib ab sofort als erste zielgerichtete Therapie beim fortgeschrittenen Urothelkarzinom mit FGFR3-Alterationen zugelassen

Basierend auf Daten der Phase-III-Zulassungsstudie THOR von Erdafitinib (Balversa®) hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA dem neuen Wirkstoff am 23.08.2024 die Zulassung erteilt. Damit ist Erdafitinib die erste zielgerichtete Therapie beim fortgeschrittenen Urothelkarzinom mit bestimmten Alterationen im Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor 3 (FGFR3). Die Markteinführung wird für Januar 2025 erwartet.

 Das Wichtigste in Kürze

 

  • Therapieoptionen beim metastasierten oder nicht resezierbaren Urothelkarzinom waren lange auf Chemo- und Immuntherapien beschränkt [1]; zielgerichtete, Biomarker-basierte Ansätze, die bei anderen Tumorentitäten gute Therapieerfolge erzielten, standen beim Urothelkarzinom bisher nicht zur Verfügung.

  • Aktivierende Genveränderungen des FGFR3 kommen bei etwa 20% der Urothelkarzinom-Patient*innen vor und gelten als Treibermutationen [2]. Erdafitinib ist ein Tyrosinkinase-Inhibitor und hemmt die Überaktivierung von FGF-Rezeptoren.
  • In der Zulassungsstudie THOR konnte die Erdafitinib-Therapie im Vergleich zur Chemotherapie das Gesamtüberleben (OS), das progressionsfreie Überleben (PFS) und die Gesamtansprechrate bei Patient*innen mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Urothelkarzinom, die bereits 1–2 systemische Therapien (darunter eine anti-PD-(L)1-Therapie) erhalten hatten, signifikant verbessern [3].
  • Am 23.08.2024 erteilte die EMA Erdafitinib die Zulassung als Monotherapie bei erwachsenen Patient*innen mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Urothelkarzinom und bestimmten genetischen Veränderungen des FGFR3, die zuvor mindestens eine Therapielinie mit einem PD-(L)1-Inhibitor im nicht resezierbaren oder metastasierten Stadium erhalten haben [4].

 

 

Für eine große Zahl unterschiedlicher Tumorentitäten wurden in den letzten Jahren zielgerichtete, Biomarker-basierte Therapien zugelassen, die bei geeigneten Patient*innen teils erhebliche Therapieerfolge erzielen konnten [5,6]. Für das fortgeschrittene Urothelkarzinom war eine solche Therapie bislang nicht verfügbar. Die Zulassung von Erdafitinib erweitert somit das Spektrum an Therapieoptionen bei Patient*innen, deren Prognose bislang schlecht war [7].

Zulassungsstudie THOR: signifikante Überlegenheit von Erdafitinib vs. Chemotherapie

In der offenen, multizentrischen Phase-III-Studie THOR, auf der die Zulassung von Erdafitinib basiert, betrug das mediane OS unter Erdafitinib 12,1 Monate und war damit signifikant verlängert gegenüber dem Median von 7,8 Monaten in der Kontrollgruppe, die eine Chemotherapie erhielt (Abb. 1) [3]. Das relative Risiko zu versterben wurde durch Erdafitinib um 36% (Hazard Ratio [HR]=0,64; 95% Konfidenzintervall [KI] 0,47–0,88; p=0,005) verringert. Aufgrund der guten Ergebnisse entschied das unabhängige Datenüberwachungskommittee an diesem Punkt, die Studie zu beenden und ein Crossover zu Erdafitinib zu ermöglichen [3].

In die Studie waren 266 Patient*innen mit einem nicht resezierbaren oder metastasierten Urothelkarzinom eingeschlossen worden [3]. Das Vorliegen einer FGFR2/3-Alteration und der Progress nach einer oder zwei Vortherapien, inklusive einem PD-1- oder PD-L1-Inhibitor, stellten Voraussetzungen für die Teilnahme dar. Die THOR-Studie randomisierte die Teilnehmenden 1:1 in zwei Gruppen, die entweder mit Erdafitinib-Therapie oder einer Chemotherapie nach Wahl des Studienarztes (Docetaxel oder Vinflunin) behandelt wurden [3].

Abb. 1: Signifikant besseres Gesamtüberleben unter Erdafitinib vs. Chemotherapie in der THOR-Studie. Modifiziert nach [3].
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Das PFS als sekundärer Endpunkt zeigte ebenfalls einen signifikanten Vorteil für die zielgerichtete Therapie mit Erdafitinib: im Chemotherapie-Arm betrug das mediane PFS 2,7 Monate, unter Erdafitinib war es mit 5,6 Monaten doppelt so lang (HR=0,58; 95% KI 0,44–0,78; p<0,001) [3]. Die Gesamtansprechrate betrug für die Chemotherapie 11,5%, für die zielgerichtete Behandlung mit Erdafitinib lag sie mit 45,6% etwa viermal so hoch (Abb. 2) [3].

Abb. 2: Bessere Ergebnisse hinsichtlich Gesamtansprechen, partiellem Ansprechen (PR) und kompletter Remission (CR) unter Erdafitinib im Vergleich zur Chemotherapie in der THOR-Studie. Modifiziert nach [3].
© DIGIMED Verlag GmbH

Handhabbares Nebenwirkungsprofil

Ein weiterer sekundärer Endpunkt der THOR-Studie war die Verträglichkeit der Erdafitinib-Behandlung. Es wurde ein handhabbares Profil an unerwünschten Ereignissen beobachtet, das konsistent mit vorangegangenen Untersuchungen war [3,8]. Schwerwiegende therapiebedingte Nebenwirkungen wurden bei 13,3% der Erdafitinib-behandelten Patient*innen und 24,1% der Chemotherapie-Gruppe beobachtet. Zu Nebenwirkungen von besonderem Interesse gehörten u.a. Nagelveränderungen, zentrale seröse Retinopathie, Hyperphosphatämie und Haut- sowie Augenerkrankungen [4]. Vor- und Kontrolluntersuchungen sowie prophylaktische Maßnahmen und Dosisanpassungen entsprechend den Empfehlungen der aktuellen Fachinformation bieten effektive Möglichkeiten, therapiebedingten Nebenwirkungen vorzubeugen [3,4].

Frühzeitige Testung auf FGFR3-Alterationen ab sofort entscheidend

Aktivierende Veränderungen des FGFR3-Gens umfassen sowohl Mutationen als auch Fusionen. Diese Alterationen können mittels Next-Generation-Sequencing oder Real-Time Polymerasekettenreaktion (RT-PCR)-Kits nachgewiesen werden, welche in Deutschland bereits flächendeckend etabliert sind. Patient*innen mit einem metastasierten Urothelkarzinom sollten spätestens während der Behandlung mit einem Checkpoint-Inhibitor auf FGFR3-Veränderungen getestet werden, um die Möglichkeit einer zielgerichteten Folgetherapie mit Erdafitinib zu evaluieren.

 

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Erdafitinib ist indiziert als Monotherapie bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit einem nicht resezierbaren oder metastasierten Urothelkarzinom und bestimmten genetischen Veränderungen des FGFR3, die zuvor mindestens eine Therapielinie mit einem PD-(L)1-Inhibitor im nicht resezierbaren oder metastasierten Stadium erhalten haben.

 

Literatur

[1] EAU Guidelines on Muscle-invasive and Metastatic Bladder Cancer, 2024
[2] Helsten T, et al. Clin Cancer Res. 2016;22(1):259-67
[3] Loriot Y, et al. N Engl J Med. 2023;389(21):1961-71
[4] Aktuelle Fachinformation Balversa®
[5] Riedl JM, et al. Virchows Archiv. 2024;484(2):169-79
[6] Smith CEP and Prasad V. Am Fam Physician. 2021;103(3):155-63
[7] Niegisch G, et al. Journal of Clinical Oncology. 2023;41(6_suppl):464
[8] Loriot Y, et al. N Engl J Med. 2019;381(4):338-48

 

(sn)

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 11.10.2024

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