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Rheuma und Krebs?

Aktuelle Daten vom EULAR 2017 untermauern Erkenntnisse zum Zusammenhang von malignen und rheumatischen Erkrankungen

Bis vor einigen Jahren bestand der Verdacht, dass entzündungshemmende antirheumatische Medikamente bzw. Antirheumatika die Entstehung von Darmkrebs begünstigen könnten. Jüngste Studien belegen jetzt zumindest, dass mit der Einnahme von Biologika kurz- und mittelfristig kein erhöhtes Tumorrisiko einhergeht. Allerdings können Krebserkrankungen andersherum sehr wohl Auslöser einer rheumatischen Erkrankung sein. 

Erregen Antirheumatika Krebs?

Frau hält sich Rücken
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Rheumatische Erkrankungen zählen zu den Autoimmunkrankheiten, bei denen die körpereigene Abwehr fälschlicherweise körpereigene Zellen attackiert. Dies soll durch die Einnahme von Immunsuppressiva verhindert werden. Sie unterdrücken die Immunabwehr, um so Schäden an Gewebe und Organen zu vermeiden. Der Nachteil: Auch Tumorzellen können weniger effektiv bekämpft werden. Langfristig geht die Einnahme von Immunsuppressiva deshalb mit einem erhöhten Risiko für maligne Erkrankungen einher.

Rheumatische Erkrankungen können jedoch auch mit den körpereigenen Abwehrstoffen ähnlichen Substanzen immunmodulierend therapiert werden. Diese so genannten Biologika sind Eiweißsubstanzen, die sich gegen bestimmte entzündungsfördernde Botenstoffe des Körpers wenden. Zu den wichtigsten normalerweise vom Körper gegen Entzündungen eingesetzten Botenstoffe gehören etwa Tumornekrose-Faktor-alpha (TNF-α) oder Interleukine. Biologika wie Etanercept, Adalimumab oder Infliximab hemmen TNF-α; Rituximab bindet an einen bestimmten Rezeptor (CD20) auf bestimmten weißen Blutzellen (B-Lymphozyten) und hemmt so die Immunantwort. Die teilweise seit mehr als zehn Jahren in der Therapie der rheumatoiden Arthritis verwendeten Biologika haben laut einer 2017 in dem Journal JAMA Intern medicine veröffentlichten prospektiven Kohortenstudie aus Schweden bislang nicht zu einem Anstieg der Krebserkrankungen geführt. Dennoch bleibt abzuwarten, wie die Datenlage nach einer längeren Beobachtungszeit aussieht. Die Anbindung an die entsprechenden Register bleibt also weiterhin von großer Bedeutung.  

Tumorbedingtes Rheuma / Paraneoplasien

Sollte es bei rheumatischen Symptomen an immunologischen Befunden mangeln, das Alter nicht zur (vermuteten) Erkrankung passen oder sollten atypische klinische Befunde auftreten, muss ein Tumor als Auslöser der Beschwerden in Betracht gezogen werden. Dieser Zusammenhang wurde nun erneut durch Studien bestätigt, die jüngst beim EULAR-Kongress präsentiert wurden.

Zu den untypischen Befunden zählen z.B. ein ungewöhnliches Muster des Gelenkbefalls, eine ungewöhnlich hohe humorale Entzündungsaktivität und starke Ödembildung in Entfernung von der Körpermitte. Alle diese Indizien können auf Paraneoplasien verweisen.

Hierbei handelt es sich um klinische Anzeichen, die nicht unmittelbar, sondern indirekt durch einen Tumor hervorgerufen werden. Beispielsweise können durch den Tumor Hormone oder Zytokine stimuliert oder in Folge einer Immunreaktion gegen den Tumor ausgeschüttet werden, die dann für die rheumatischen Beschwerden verantwortlich sind. Prinzipiell sind Paraneoplasien in jedem Organ möglich, gehäuft lassen sie sich jedoch in Knochen, Gelenken, Gefäßen oder Muskeln finden.

Sind Paraneoplasien die Ursache für rheumatische Symptome, versagen häufig die üblichen Diagnose-, aber auch Therapiemethoden, was ein weiterer Indikator für eine Tumorerkrankung ist. Auch wenn die Krankheitszeichen durch kurative Therapie der malignen Erkrankung einfach verschwinden und bei der Remission nicht mehr auftauchen, entspricht das dem paraneoplastischen Krankheitsbild.

Paraneoplasien können von großer Bedeutung für den Verlauf der Krebserkrankung sein. So kann das Screening bei Verdacht auf Paraneoplasien zur frühzeitigen Diagnose der malignen Erkrankung führen, die somit oft besser therapierbar ist. Meistens lässt sich die bei der Paraneoplasie vorliegende Entzündung erst durch Entfernen des Tumors zurückdrängen. Dem Patienten kann bei frühzeitiger Definition ebenfalls die fruchtlose und anstrengende Rheuma-Therapie erspart werden, die bei Paraneoplasien nicht wirksam ist.

Besonders charakteristische paraneoplastische Krankheitsbilder sind z.B. die palmare Fasziitis mit Polyarthritis, die RS3PE (remitting seronegative symmetrical synovitis with pitting edema) oder die hypertrophe Osteoarthropathie.

Maligne Erkrankungen und Rheuma – eine schwierige Balance

Da mit zunehmendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit steigt, an malignen Erkrankungen zu leiden und die Bevölkerung de facto immer älter wird, ist der Rheumatologe in Zukunft gefragt, sich mit dem Balanceakts zwischen Autoimmunkrankheit und bösartiger Erkrankung zu befassen.

Alle Patienten mit einer symptomatischen Rheuma-Erkrankung sollten sich regelmäßig einem dem Alter angemessenen Tumorscreening unterziehen. Bei Verdacht auf eine Paraneoplasie sollte die Tumorsuche gründlich durchgeführt werden, da die Kenntnis über eine zugrunde liegende maligne Erkrankung von hoher prognostischer Relevanz ist.

 

(ans)

 

Quellen:

[1] Pérez-Alvarez, R. et al.: Sarcoidosis and cancer: different patterns of association in a multicenter cohort from southern Europe. EULAR 2017 Poster Presentation.
Abstract available at: Annals of the Rheumatic Diseases, volume 76, supplement 2, year 2017, page 721; http://ard.bmj.com/content/76/Suppl_2/721.3

[2] Urruticoechea-Arana, A. et al.: Neoplasia in patients with systemic lupus erythematosus in spain: relesser registry data. EULAR 2017 Poster Presentation.
Abstract available at: Annals of the Rheumatic Diseases, volume 76, supplement 2, year 2017, page 873; http://ard.bmj.com/content/76/Suppl_2/873.2

[3] Rheuma: Bislang kein erhöhtes Krebsrisiko durch Biologika. Aerzteblatt.de – 20. September 2017. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/79412/Rheuma-Bislang-kein-erhoehtes-Krebsrisiko-durch-Biologika

[4] Wadström, H. et al: Malignant Neoplasms in Patients With Rheumatoid Arthritis Treated With Tumor Necrosis Factor Inhibitors, Tocilizumab, Abatacept, or Rituximab in Clinical Practice: A Nationwide Cohort Study From Sweden. Jama Intern Med 2017; 177(11): 1605-1612.

[5] Eppinger, Ute: Falscher Schein: Wann Sie bei rheumatischen Symptomen an Tumoren als Ursache denken sollten. Medscape – 15. September 2017. https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4906357

 

 

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 03.12.2017

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