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Internationale ALL-Assembly 2018: Viel versprechende immuntherapeutische Ansätze im Fokus

Bereits zum 3. Mal fand die ALL-Assembly statt: International anerkannte Experten aus Europa und den USA stellten in Amsterdam (Niederlande) aktuelle Entwicklungen im Management der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) des Kindes- und Erwachsenenalters vor. Ein wichtiger Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf der Immuntherapie, z.B. mit dem bispezifischen T-Zell-verstärkenden (BiTE) Antikörperkonstrukt Blinatumomab (Blincyto®) oder den chimären Antigenrezeptor (CAR)-T-Zellen. Die beiden Experten Dr. Nicola Gökbuget, Frankfurt, und Prof. Rupert Handgretinger, Tübingen, äußern sich in Videostatements zu den aktuellen Entwicklungen.

Dr. Gökbuget und Prof. Handgretinger zu ihrem Eindruck von der ALL-Assembly 2018

Erfolgreicher Einsatz von Blinatumomab bei Kindern mit ALL

Immuntherapeutische Konzepte zur Behandlung der refraktären/rezidivierten (r/r) B-Vorläufer-ALL waren ein wichtiges und viel diskutiertes Thema auf der ALL-Assembly 2018 (05.–06.10.2018 in Amsterdam, Niederlande), auch bei pädiatrischen Patienten. Prof. Franco Locatelli, Rom (Italien), ging auf die Therapie mit Blinatumomab ein, einem bispezifischen Antikörperkonstrukt (BiTE), das sowohl an das Oberflächenprotein CD19 auf leukämischen B-Zellen als auch an das CD3-Oberflächenprotein auf T-Zellen bindet [1]. In einer Phase-I/II-Studie wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Blinatumomab bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren mit CD19-positiver, Philadelphia-Chromosom-negativer (Ph–) r/r B-Vorläufer-ALL überprüft [2]. Insgesamt erhielten 70 Patienten die empfohlene Blinatumomab-Dosierung von 5 µg/m²/Tag für die ersten sieben Tage, gefolgt von 15 µg/m²/Tag für weitere 3 Wochen. Den primären Endpunkt komplette Remission (CR) innerhalb der ersten 2 Zyklen erreichten 27 von 70 (38%; 95%-Konfidenzintervall [CI] 27–51%) Patienten, darunter 14 (52%) ohne Nachweis einer minimalen Resterkrankung (MRD). Das mediane Gesamtüberleben (OS) betrug 7,5 Monate, bei einem medianen Nachbeobachtungszeitraum von 23,8 Monaten.

Die erste Auswertung einer Expanded-Access-Studie zur Blinatumomab-Therapie, die Kinder/Jugendliche im Alter zwischen 1 und 17 Jahren mit r/r B-Vorläufer-ALL einschloss, umfasste 40 Patienten [4]. Die Teilnehmer erhielten bis zu 5 Zyklen Blinatumomab. Eine CR innerhalb der ersten beiden Therapiezyklen erreichten 25 (63%) der Patienten, darunter 19 (76%) mit einem MRD-Ansprechen innerhalb der ersten beiden Zyklen. Bei 10 von 25 Patienten mit CR wurde eine allogene Stammzelltransplantation (SZT) durchgeführt. Weitere Ergebnisse dieser Studie werden auf dem ASH 2018 vorgestellt.

Prof. Handgretinger und Dr. Gökbuget zum Einsatz von Blinatumomab bei pädiatrischen und erwachsenen Patienten mit rezidivierter/refraktärer B-Vorläufer-ALL

Blinatumomab verdoppelt nahezu das Gesamtüberleben bei Erwachsenen vs. Chemotherapie

Der Einsatz von Blinatumomab bei erwachsenen Patienten mit Philadelphia-Chromosom-negativer B-ALL wurde in der TOWER-Studie untersucht, die Prof. Max Topp aus Würzburg präsentierte [5]. An der randomisierten Phase-III-Studie nahmen insgesamt 405 Patienten mit CD19-positiver, Ph– r/r B-Vorläufer-ALL teil, davon erhielten 271 Patienten Blinatumomab und 134 eine Standardchemotherapie. Innerhalb von 12 Wochen erreichten deutlich mehr Patienten unter Blinatumomab eine CR mit vollständiger, partieller oder unvollständiger hämatologischer Erholung als Patienten unter der Chemotherapie: 44% versus 25% (p<0,001) in der Intent-to-treat (ITT)-Population. Unter den Respondern ließ sich in der Gruppe mit dem bispezifischen Antikörperkonstrukt bei ca. drei Vierteln (76%) eine MRD-Negativität nachweisen, in der Gruppe mit Chemotherapie bei etwa der Hälfte (48%). Das mediane OS (primärer Endpunkt) war im Blinatumomab-Arm mit 7,7 Monaten nach einem medianen Follow-up von ca. 1 Jahr signifikant länger als im Chemotherapie-Arm mit 4,0 Monaten (p=0,01). Dabei zeigte sich, dass Patienten, die Blinatumomab als erste Salvage-Therapie erhielten, am meisten von der Behandlung mit dem bispezifischen Antikörperkonstrukt profitierten. In dieser Gruppe betrug das mediane OS 11,1 Monate (versus 5,5 Monate unter der Chemotherapie als erste Salvage-Therapie, p=0,016).

Dr. Gökbuget und Prof. Handgretinger zur Immuntherapie bei pädiatrischen und erwachsenen Patienten mit rezidivierter/refraktärer B-Vorläufer-ALL

CAR-T-Zellen als Therapieoption bei Kindern und jungen Erwachsenen

Eine weitere auf der ALL-Assembly präsentierte immuntherapeutische Option sind CAR-T-Zellen, über die Dr. Sara Ghorashian, London (Großbritannien), berichtete. Sie stellte u.a. die Phase-II-Studie ELIANA vor, in die 92 Patienten im Alter bis zu 25 Jahre mit CD19-positiver r/r B-ALL eingeschlossen wurden, von denen 75 eine CD19-spezifische CAR-T-Zell-Therapie (Tisagenlecleucel) erhielten [6]. In der Studie wurden 17 Patienten nicht behandelt: Bei 7 Patienten konnte die Prüfsubstanz nicht hergestellt werden, 7 Patienten verstarben, bevor Tisagenlecleucel hergestellt war, und 3 Patienten konnten wegen Toxizitäten nicht behandelt werden. Der primäre Endpunkt Gesamtremissionsrate (CR mit oder ohne vollständige/r hämatologische/r Erholung) der behandelten Patienten nach 3 Monaten lag bei 81%, wobei alle Responder eine MRD-Negativität aufwiesen. Nach 6 Monaten waren 73% der Patienten ereignisfrei und 90% lebten. Das mediane ereignisfreie Überleben wurde nicht erreicht, das mediane OS betrug 19,1 Monate.

Auftreten von CRS und Neurotoxizität unter Blinatumomab und CAR-T-Zellen

Professor Mathilde Hunault-Berger, Angers (Frankreich), äußerte sich zur Inzidenz von Toxizitäten, die u.a. bei Therapie mit Blinatumomab und CAR-T-Zellen auftreten können. Hier hob sie das Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS) und neurologische Ereignisse hervor. Ein Grad 3/4-CRS tritt demnach bei ca. 5 bis 6% der Patienten mit r/r ALL auf [2, 5]. Neurologische Ereignisse ab Grad 3 betreffen ca. 10% (6 bis 13%) der Patienten unter einer Therapie mit Blinatumomab [2, 5, 7, 8, 9]. Zu ihnen gehören Tremor, Aphasie, Schwindel, Enzephalopathien oder Krampfanfälle [8]. Deutlich häufiger ist ein schweres Zytokinfreisetzungssyndrom unter CAR-T-Zellen zu beobachten – in der oben genannten Studie zu Tisagenlecleucel trat ein CRS der Grade 3 und 4 bei 47% der Patienten auf [6], wie Hunault-Berger ausführte. Neurologische Ereignisse aller Grade kamen bei etwa 40% der Patienten vor, der Grade 3 und 4 bei 13%, darunter Enzephalopathie, Delirium, Kopfschmerzen.

Dr. Gökbuget zum Management unerwünschter Ereignisse einer Blinatumomab-Therapie

Risikofaktor für das Auftreten eines CRS unter einer Blinatumomab-Therapie sei eine hohe Tumorlast, so Hunault-Berger, vor allem im Rahmen des ersten Therapiezyklus [5, 7, 9]. Um die CRS-Häufigkeit zu senken, bieten sich Zytoreduktion, die prophylaktische Gabe von Glukokortikoiden und Antipyretika sowie Dosismodifikation während des 1. Zyklus an [1, 7]. Zudem empfiehlt sich bei r/r ALL die stationäre Aufnahme während der ersten 9 Tage des 1. Zyklus und während der ersten 2 Tage des 2. Zyklus [1]. Die Tumorlast scheint kein Risikofaktor für das Auftreten neurologischer Ereignisse zu sein, allerdings ist die Häufigkeit während des 1. Zyklus am größten [8]. Zum Monitoring wird ein täglicher Schreibtest empfohlen [1]. In der Regel bilden sich die neurologischen Ereignisse nach Absetzen von Blinatumomab zurück [1].

Prof. Handgretinger zur praktischen Anwendung von Blinatumomab

Zusammenfassend zeigen immuntherapeutische Ansätze viel versprechende Ergebnisse in der Therapie der r/r B-Vorläufer-ALL. Das bispezifische Antikörperkonstrukt Blinatumomab hat seine Wirksamkeit und Verträglichkeit sowohl bei pädiatrischen als auch erwachsenen Patienten gezeigt. Unerwünschte Ereignisse wie CRS oder neurologische Komplikationen können auftreten, sie lassen sich aber bei Beachtung bestimmter Maßnahmen kontrollieren und managen.

(aks)

DE-P-103-1118-070369

Quelle: International ALL Assembly, 05.–06. Oktober 2018 in Amsterdam, Niederlande, unterstützt durch Amgen GmbH, Jazz Pharmaceuticals, Servier S.A.


Referenzen
[1] Fachinformation Blincyto®, Stand August 2018
[2] von Stackelberg A et al. J Clin Oncol 2016;34(36):4381–4389
[3] Gore L et al. Blood Cancer J 2018;8:80
[4] Locatelli F et al. J Clin Oncol 2017;35(suppl: abstr 10530) and poster presentation; ASCO 2017
[5] Kantarjian H et al. N Engl J Med 2017;376:836–847
[6] Maude SL et al. N Engl J Med 2018;378(5):439–448
[7] Topp MS et al. Lancet Oncol 2015;16:57–66
[8] Gökbuget N et al. Blood 2018;131:1522–1531
[9] Topp MS et al. J Clin Oncol 2014;32:4134–4140

Blincyto® (Blinatumomab) ist seit 18. Januar 2019 auch zugelassen als Monotherapie bei erwachsenen Patienten mit Philadelphia-Chromosom-negativer, CD19-positiver B-Zell-Vorläufer akuter lymphatischer Leukämie (ALL) in erster oder zweiter kompletter Remission mit einer minimalen Resterkrankung (MRD) von mindestens 0,1 %.

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Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 10.12.2018

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