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Die Chemotherapie

Infusion, Quelle: © ineula - fotolia.com
Quelle: © ineula - fotolia.com

Neben der Operation und Strahlentherapie ist die Chemotherapie eine der zentralen Säulen der Krebstherapie. Sie umfasst die Behandlung bösartiger Tumoren mit chemischen Substanzen, den sogenannten Chemotherapeutika oder Zytostatika, die in den Vermehrungszyklus der Krebszellen eingreifen. Die Wirkstoffe der Chemotherapie werden in Form von Infusionen, Spritzen oder Tabletten verabreicht.

Das Krebsmedikament und seine seine Wirkung

Paul Ehrlich (1854-1915), Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 1908, gilt als der Begründer der modernen Chemotherapie und verwendete als Erster diesen Begriff. Allerdings verstand er darunter keineswegs Medikamente gegen Krebs, sondern Wirkstoffe (chemische Substanzen) zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Seine Methode, natürliche Wirkstoffe gezielt auf ihre Effekte zu prüfen und anschließend synthetisch weiter zu entwickeln, wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch für die Entwicklung von Medikamenten gegen Krebs übernommen. Analog zur Chemotherapie gegen Infektionserreger wie Bakterien oder Pilze sollten Arzneimittel geschaffen werden, die gesunde Zellen weitgehend unbehelligt lassen, auf Krebszellen jedoch hemmend wirken.

 

 

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Die Zellteilung angreifen

Heute wird unter Chemotherapie in der Regel die Behandlung bösartiger Tumoren mit chemischen Substanzen verstanden, die in den Teilungszyklus der Krebszellen eingreifen. Sie werden als Chemotherapeutika bzw. Zytostatika (griech. kytos = Zelle; statikos = zum Stehen bringend) bezeichnet.

Die Wirkstoffe richten sich vornehmlich gegen die Erbsubstanz von Zellen, die sich in der Vermehrungsphase befinden und teilungsaktiv sind.

Auch gesunde Zellen teilen und vermehren sich, können also durch Zytostatika angegriffen werden. Allerdings ist deren Wirkung bei sich häufig und sehr schnell teilenden Zellen besonders intensiv. Da die Teilungsgeschwindigkeit der Zellen vieler Krebsarten sehr hoch ist, befinden sich diese im Allgemeinen häufiger in Teilungsphasen als normale Körperzellen und sind deshalb anfälliger für die Wirkung von Zytostatika.

Systemische Wirkung

Im Unterschied zur Operation und Bestrahlung ermöglicht die Chemotherapie mit Medikamenten eine „systemische“, also den ganzen Körper betreffende Behandlung. Die als Tabletten, Spritzen oder Infusion verabreichten Wirkstoffe verteilen sich in den verschiedenen Organen und können dadurch potenziell verstreute Tumorzellen erreichen und zerstören. Eine Ausnahme ist das Gehirn, in das aufgrund der so genannten „Blut-Hirn-Schranke“ nur bestimmte Zytostatika vordringen können.

Die systemische Chemotherapie erlaubt es – anders als die nur lokal wirkenden Methoden Operation und Strahlentherapie -, fortgeschrittene Krebsstadien, in denen sich bereits Tochtergeschwülste, sogenannte Metastasen, gebildet haben, zu behandeln. Doch auch im Frühstadium von Krebserkrankungen wird die Chemotherapie unterstützend zu anderen Verfahren eingesetzt: Viele Tumoren bilden schon früh winzige Tochtergeschwülste, sogenannte Mikrometastasen, die in den zur Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren noch nicht sichtbar sind. Sie können mit einer Chemotherapie „aufgespürt“ und zerstört werden. Möglich ist zudem lokale Chemotherapie, bei der die Zytostatika ihre Wirkung unmittelbar am Tumorgewebe entfalten. Ein Beispiel ist die sogenannte transarterielle Chemoembolisation (TACE). Hierbei werden die Wirkstoffe über die Leberarterie in die Leber geleitet und können dort gegen Leberkrebs oder Metastasen anderer Organe wirken.

Welche Medikamente gibt es?

In der Krebstherapie gibt es mehr als 50 verschiedene die Zellteilung hemmende Medikamente (Zytostatika). Die verschiedenen Wirkstoffklassen greifen die Krebszellen in jeweils unterschiedlichen Phasen des Zellzyklus an. Bei der Behandlung werden deshalb oft mehrere Substanzen miteinander kombiniert, um so viele Tumorzellen wie möglich in den unterschiedlichen Phasen zu erreichen.

Beispiele für Zytostatikagruppen sind:

• Alkylanzien

Alkylanzien gehören zu den ältesten Vertretern der gegen Krebserkrankungen eingesetzten Zytostatika. Sie verbinden sich mit dem genetischen Material (DNA) des Zellkerns. Dessen Stränge werden dadurch entweder eng miteinander vernetzt oder brechen auseinander. Auf diese Weise wird die Weitergabe der Erbinformation bei der Zellteilung verhindert. Ein Vertreter der Alkylanzien ist Cyclophosphamid.

• Antimetabolite

Antimetabolite ähneln körpereigenen Stoffen und werden deshalb in Stoffwechselprozesse eingebunden. Die normale Zellteilung wird dadurch unterbrochen. Vertreter der Antimetabolite sind Methotrexat, 5-Fluorouracil, Gemcitabin und Capecitabin.

• Anthrazykline

Anthrazykline werden aus Streptomyces, also Bakterien, gewonnen. Sie stören den Aufbau von DNA und RNA im Zellkern. Als sogenannte „Antitumorantibiotika“ brechen sie in den Krebszellen, ähnlich wie herkömmliche Antibiotika in Bakterien, die Erbsubstanz auseinander und verändern die Zellmembran. Sie wirken also auch außerhalb der Zellteilungsphasen. Dies macht sie besonders effektiv, aber auch besonders nebenwirkungsreich. Vertreter der Anthrazykline sind Doxorubicin und Epirubicin.

• Taxane

Taxane, hergestellt aus Eibenrinde und damit zu den pflanzlichen Zytostatika gehörend, wirken in den Zellen an den sogenannten Mikrotubuli. Diese sorgen bei der Teilung einer Zelle dafür, dass die Erbanlagen gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilt werden. Taxane versteifen die Fäden der Mikrotubuli und halten auf diese Weise die Zellteilung praktisch an. Vertreter dieser Wirkstoffklasse sind Paclitaxel und Docetaxel.

• Vincaalkaloide

Vincaalkaloide, die als Inhaltsstoffe aus Immergrün ebenfalls zu den pflanzlichen Zytostatika gehören, werden auch als Spindelgifte bezeichnet. Auch sie wirken an den Mikrotubuli und hemmen dadurch die Zellteilungsprozesse. Vertreter der Vincaalkaloide sind Vinblastin und Vincristin.

Wann erfolgt eine Chemotherapie?

Tabletten, Quelle: © fovito - fotolia.com
Quelle: © fovito - fotolia.com

Bei den meisten bösartigen Erkrankungen werden zellteilungshemmende Medikamente mit anderen Verfahren wie Operation oder Bestrahlung kombiniert. Die unterstützende „adjuvante“ Chemotherapie erfolgt nach einer Operation oder Bestrahlung. Sie hat das Ziel, möglicherweise verbliebene Tumorreste und Metastasen zu bekämpfen. Auch vor einer Operation oder Strahlenbehandlung kann eine Chemotherapie durchgeführt werden. Diese „neoadjuvante“ Chemotherapie zielt in erster Linie darauf ab, den Tumor zu verkleinern, wodurch eine bessere Ausgangssituation für die weitere Behandlung erreicht werden soll.

Eine besondere Behandlungsform ist die so genannte „Hochdosischemotherapie" mit Stammzelltransplantation bei Leukämien. Hierbei wird das erkrankte Knochenmark des Patienten mit einer besonders intensiven Chemotherapie zerstört. Anschließend erhält er gesunde blutbildende Stammzellen eines Spenders (allogene Stammzelltransplantation) oder eigene, von den kranken Zellen gereinigte Stammzellen (autologe Stammzelltransplantation) zurück – in der Hoffnung, dass sich diese im Knochenmark ansiedeln und vermehren.

Wie erfolgt eine Chemotherapie?

Wie und mit welchen Mitteln eine Chemotherapie durchgeführt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab und muss für jeden Patienten individuell festgelegt werden.

Oft wird nicht nur ein einzelnes Mittel eingesetzt, sondern eine Kombination mehrerer Zytostatika mit unterschiedlichen Wirkprinzipien. Dadurch soll der Behandlungserfolg bei gleichzeitig möglichst wenigen Nebenwirkungen optimiert werden.

Eine Chemotherapie wird in Intervallen, sogenannten Zyklen, durchgeführt, wobei Behandlungsphasen mit Behandlungspausen abwechseln. In einem Zyklus werden die Zytostatika an einem oder mehreren Tagen nacheinander verabreicht. Es schließt sich eine Behandlungspause von mehreren Tagen, Wochen oder Monaten an. In der Behandlungspause soll der Körper die Möglichkeit bekommen, angegriffenes normales Gewebe zu regenerieren, das sich meist schneller von einer Chemotherapie erholen kann als Tumorgewebe. Durchgeführt werden im Schnitt vier bis sechs Zyklen. Dadurch werden auch solche Tumorzellen erfasst, die sich während vorangegangener Zyklen gerade in einer Ruhephase befanden und deshalb durch die Medikamente nicht beeinflusst werden konnten.

Welche Nachteile hat die Chemotherapie?

Tabletten, Quelle: © megakunstfoto - fotolia.com
Quelle: © megakunstfoto - fotolia.com

Die zellschädigende Wirkung der Chemotherapie betrifft nicht nur die Krebszellen, sondern auch alle anderen Zellen, die sich natürlicherweise schnell teilen, beispielsweise Zellen der Schleimhaut, der Haarwurzeln oder des Knochenmarks. Die Folge sind Störungen im Verdauungstrakt wie Entzündungen der Mundschleimhaut, Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Durchfall und Bauchschmerzen, Veränderungen der Blutwerte mit Blutarmut (Anämie), Blutgerinnungsstörungen und einem erhöhten Infektionsrisiko (Rückgang der weißen Blutkörperchen), Haarausfall, anhaltende Erschöpfungszustände (Fatigue), Störungen des Konzentrationsvermögens und Beeinträchtigung des Gedächtnisses, Störungen des Menstruationszyklus bei Frauen, Schädigung der Keimdrüsen und Störung der Fortpflanzungsfähigkeit bei Frauen und Männern sowie eine Steigerung des Risikos für weitere Krebserkrankungen.

Die Nebenwirkungen können innerhalb weniger Stunden oder Tage nach dem Behandlungsbeginn auftreten, aber auch erst nach Monaten oder sogar Jahren. Zu welchen Nebenwirkungen es in welchem Umfang kommt, hängt davon ab, welche Zytostatika in welcher Dosierung eingesetzt werden und wie lange die Behandlung dauert. Auch die allgemeine gesundheitliche Verfassung der Patienten spielt eine Rolle. Viele Nebenwirkungen können heute durch geeignete begleitende Maßnahmen (Supportivtherapie) verhindert oder zumindest gelindert werden. So gibt es inzwischen Medikamente, die Übelkeit und Erbrechen unterbinden oder die Regeneration von Blutzellen unterstützen.

Derzeit werden neue Zytostatika entwickelt und klinisch erprobt, die besonders selektiv wirken sollen: Sie treffen vorwiegend die Tumorzellen und lassen gesunde Zellen weitgehend unbeschadet. Ein Beispiel sind eingekapselte Zytostatika: Die Kapseln können nur von Enzymen, die für Tumorzellen typisch sind, „geöffnet“ werden. Erst dann wird das Zellgift, das Zytostatikum, frei. Verbesserungen werden auch von so genannten Therapieoptimierungsstudien erwartet. Sie ermitteln, welche Zytostatika in welcher Weise miteinander kombiniert werden müssen, um effizient und nebenwirkungsarm zu wirken.

(kvk)


Quellen:
[1] Cooper, Michael R. & Cooper, M. Robert: Principles of Medical Oncology. In: Holleb, A. I. et al. (Hrsg): American Cancer Society textbook of Clinical Oncology. 1. Aufl. Atlanta: Library of Congress Cataloging, 1991, S. 47-68

[2] M. Pfreundschuh: Prinzipien der medikamentösen Tumortherapie, in: H.-J. Schmoll. K. Höffken, K. Possinger (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie, Springer Verlag 2006, S. 651-702

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 10.09.2014

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