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Hirnmetastasen - Herausforderung für Patienten und Ärzte

Für Patienten und ihre Angehörige ist es eine erschreckende Diagnose: Hirnmetastasen. Bereits durch die Krebserkrankung belastet, ist das Auftreten von Metastasen ein erneuter Tiefschlag. Zwar ist die Prognose für Patienten mit Hirnmetastasen leider noch immer nicht gut. Doch können durch den Einsatz verschiedener Therapien Symptome gelindert und die Lebensqualität aufrechterhalten werden.

Krebszellen wandern von einem Primärtumor ins Gehirn

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Metastasen sind Absiedlungen von Tumoren, die zunächst in einem anderen Organ entstanden sind und dort einen sogenannten Primärtumor gebildet haben. Von diesem ursprünglichen Tumor können Krebszellen über Blut- oder Lymphbahnen abwandern, sich in einem weiteren Organ vermehren und eine Metastase (Tochtergeschwulst) bilden. Diese Geschwulst enthält Zellen des Primärtumors und nicht des sie umgebenden Gewebes. So enthalten Hirnmetastasen keine Nervenzellen, wie es bei einem „echten“, also primär im Gehirn entstandenen Tumor der Fall wäre, sondern Zellen des Gewebetyps, in dem der Primärtumor entstanden ist.

Aus diesem Grund ist es möglich, anhand einer Laboruntersuchung von Hirnmetastasen-Gewebe auf den Primärtumor zu schließen, der in einigen Fällen noch unbekannt ist. In das Gehirn gelangen wandernde Tumorzellen über die Blutbahnen. Sie können aber auch bei nahe liegenden Primärtumoren, wie zum Beispiel Knochentumoren des Schädels, direkt in das Gehirn einwandern.

Aufgrund des verlängerten Überlebens von Krebspatienten, der Verbesserung von Diagnosetechniken, wie zum Beispiel der  Magnetresonanztomografie (MRT), und deren häufigere Anwendung steigt die Anzahl an diagnostizierten Hirnmetastasen. Sie sind mittlerweile häufiger als Tumoren, die direkt im Gehirn entstehen.

Das Gehirn ist eines der bevorzugten Organe für die Ausbreitung solider Tumoren

Besonders häufig findet man Hirnmetastasen bei Primärtumoren der Lunge, der Brust sowie beim schwarzen Hautkrebs. Laut der deutschen Hirntumorhilfe gehen aufgrund der Häufigkeit der zugrunde liegenden Krebserkrankung 40 - 60 % der Hirnmetastasen auf ein Bronchialkarzinom (Lungenkrebs), 15 - 20 % auf ein Mammakarzinom (Brustkrebs) und 10-  15 % auf ein malignes Melanom (schwarzer Hautkrebs) zurück. In 10 - 20 % der Fälle ist der Primärtumor nicht bekannt. Die Wahrscheinlichkeit für die Bildung einer Metastase im Gehirn ist bei einigen fortgeschrittenen Krebserkrankungen gar nicht niedrig. Bei etwa 45 % der Patienten mit malignem Melanom oder kleinzelligem Bronchialkarzinom treten im Laufe der fortgeschrittenen Erkrankung eine oder mehrere Metastasen im Gehirn auf. Beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom ist dies bei 30 %, beim Mamma- oder Nierenzellkarzinom bei 20 % der Patienten der Fall. Die Therapie von Metastasen besteht in der Regel aus einer Bestrahlung, oft auch zusätzlich aus einer Operation. 

Größe und Lage der Metastasen bestimmen die Symptome von Hirnmetastasen

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Hirnmetastasen müssen zunächst keine Symptome verursachen. Meist treten Beschwerden bei bereits fortgeschrittenem Wachstum oder dem Befall empfindlicher Hirnregionen auf. Ob Symptome auftreten und welche dies sein können, hängt vornehmlich von Lage und Größe der Metastase ab. Hirnmetastasen äußern sich meist durch:

  • Kopfschmerzen (50%)
  • Neurologische Ausfallerscheinungen (50%)
  • Hirnorganisches Psychosyndrom (30%)
  • Epileptische Anfälle (15-20%)
  • Weitere Hirndruckzeichen (Übelkeit, Erbrechen)

 

Viele Patienten berichten zunächst von lang andauernden, starken Kopfschmerzen, die sich durch die Einnahme von Schmerzmitteln nicht merklich verbessern. Auch von Übelkeit bis hin zum Erbrechen wird berichtet. Hauptverantwortlich für diese unspezifischen Symptome ist meist eine Flüssigkeitsansammlung im Umkreis der Metastase (Ödem). Da sich das Gehirn aufgrund des ihn umgebenen Schädelknochens nicht ausdehnen kann, führt das Ödem zu einem Anstieg des Hirndrucks. Dies äußert sich in Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen oder Schwindel. Je nach Lokalisation können auch Seh- oder Bewusstseinsstörungen auftreten.

Viele Symptome einer Hirnmetastase sind relativ unspezifisch. Kopfschmerzen, Übelkeit oder Schwindel können also viele, meist weniger dramatische Ursachen haben. Oftmals handelt es sich dabei auch um Nebenwirkungen von Medikamenten, die Krebspatienten einnehmen müssen. Bei lang anhaltenden, starken und ungewöhnlich verlaufenden Kopfschmerzen oder sich nicht bessernder Übelkeit, sollte ein Arzt zu Rate gezogen werden, der gegebenenfalls Untersuchungen zur Abklärung der Symptome veranlassen wird.

Lähmungen und epileptische Anfälle als Symptome von Hirnmetastasen

Metastasen im Gehirn können sich ebenfalls durch Funktionsstörungen oder Lähmungen äußern. Plötzlich auftretende Gleichgewichtsprobleme, ein eingeschränktes Sehfeld oder eine undeutliche Sprache sind Anzeichen dieser neurologischen Ausfallerscheinungen. Die Lähmung eines bestimmten Körperteils oder eine Sprachstörung kann bereits einen Hinweis auf die Lage der Metastase im Gehirn liefern.

Auch psychische Auffälligkeiten und Wesensveränderungen, zusammengefasst als hirnorganisches Psychosyndrom, sind Symptome, die durch Hirnmetastasen hervorgerufen werden können. Das Syndrom kann sich durch ein auffälliges Verhalten des Patienten, Verwirrtheit oder die Unfähigkeit, einfache Aufgaben nicht mehr ausführen zu können, äußern.

Besonders erschreckend für alle Beteiligten ist die Situation, wenn sich eine Hirnmetastase durch das Auftreten eines epileptischen Anfalls äußert. Dieser kann ganz unterschiedlich ablaufen: Bei einigen Patienten kommt es zu Bewusstlosigkeit, Krämpfen und Zuckungen am ganzen Körper. Andere behalten das Bewusstsein, es kommt zu Verkrampfungen an nur einem Arm oder Bein. Hat eine Person noch nie zuvor einen epileptischen Anfall gehabt, sollte sofort ein Arzt zur weiteren Abklärung aufgesucht werden.

Die Linderung der Symptome hat oberste Priorität in der Behandlung von Hirnmetastasen

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Wurde der Verdacht auf eine Hirnmetastase durch bildgebende Methoden, wie zum Beispiel die MRT, bestätigt, gibt es mehrere Möglichkeiten, diese zu behandeln. Zunächst steht die Linderung der Symptome im Vordergrund, um die Lebensqualität des Patienten zu erhalten oder wiederherzustellen. Da Symptome oftmals durch Ödeme ausgelöst werden, kommen zunächst Medikamente mit abschwellender Wirkung zum Einsatz. Dazu werden Kortikosteroide („Kortison“) verabreicht, die ihre Wirkung schnell entfalten. Meist tritt schon nach wenigen Stunden eine Besserung auf oder die Symptome verschwinden ganz. Patienten, die unter epileptischen Krampfanfällen leiden, werden mit Antikonvulsiva („Antiepileptika“) behandelt. Für die eigentliche Behandlung der Metastasen kommen verschiedene Methoden infrage:

 

Lage, Größe und Anzahl der Metastasen bestimmen die Behandlung

Ob und wie Hirnmetastasen behandelt werden, hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen entscheidet die Größe und Lage der Metastase, welche Behandlung für den Patienten infrage kommt. Große Metastasen mit einem Durchmesser von über 3 cm oder Metastasen, die Symptome verursachen, werden nach Möglichkeit operiert. Da bei einigen Patienten mit Hirnmetastasen (ca. 10 - 20 %) der Primärtumor nicht bekannt ist, bietet eine Operation die Möglichkeit, Tumorgewebe zu gewinnen. Durch dessen Charakterisierung im Labor kann möglicherweise auf den Primärtumor geschlossen werden. Tief im Gehirn gelegene Metastasen, oder Metastasen, die in der Nähe besonders wichtiger Hirnregionen (z.B. Sprechzentrum) liegen, werden meist nicht operativ entfernt.

Auch die Anzahl der Metastasen spielt bei der Therapiewahl eine Rolle. Man unterscheidet dabei wie folgt:

  • Als singulär bezeichnet man eine einzige Metastase im Gehirn bei gleichzeitig nachweisbaren Metastasen in anderen Organen.
  • Als solitär bezeichnet man eine einzige Metastase im Gehirn ohne den Befall weiterer Organe.
  • Patienten mit multiplen Hirnmetastasen weisen mehrere Metastasen im Gehirn auf.

 

Einzelmetastasen im Gehirn werden nach Möglichkeit operativ entfernt.

Doch nicht immer ist eine Operation möglich oder sinnvoll. Neben der Lage und der Anzahl der Metastasen kann auch der Gesundheitszustand des Patienten eine Operation unmöglich machen. In diesen Fällen wird oftmals eine Strahlentherapie durchgeführt. Die Strahlung schädigt die Erbsubstanz der Zellen, sodass die Zellteilung aufhört und die Zellen absterben. Die Metastasen werden kleiner oder verschwinden sogar.

Sind nur wenige Metastasen im Gehirn vorhanden, kann die sehr gezielte sogenannte stereotaktische Strahlentherapie (Radiochirurgie) z. B. mittels Gamma-Knife oder Cyberknife zum Einsatz kommen. Hierbei wird eine hohe Strahlendosis punktgenau auf die Metastase ausgerichtet. Die genaue Lokalisation wird zuvor mittels MRT bestimmt. Eine punktgenaue Bestrahlung schont das umliegende Hirngewebe und kann in wenigen Behandlungstagen meist ohne Krankenhausaufenthalt durchgeführt werden. Die stereotaktische Strahlentherapie kann in jeder Hirnregion und dadurch auch bei inoperablen Metastasen eingesetzt werden. Die gezielte Bestrahlung kommt in der Regel auch nach einer Operation als ergänzende Therapie zum Einsatz. Durch die Bestrahlung sollen vereinzelte Tumorzellen, die möglicherweise nach der Operation im Gehirn verblieben sind, abgetötet werden. Damit soll ein Rückfall verhindert werden.

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Liegen jedoch viele Metastasen im Gehirn vor, wird meist das ganze Gehirn bestrahlt. Bei über 70 % der Patienten können dadurch neurologische Symptome und die Lebensqualität verbessert werden.
Da die Ganzhirnbestrahlung auch Nebenwirkungen hat, zu denen neben Haarverlust auch Gedächtnisstörungen gehören, schrecken viele Patienten davor zurück. Eine etwas schonendere Form das ganze Gehirn zu bestrahlen ermöglichen Rotationstechniken, die das Bestrahlungs-Gerät um den Kopf herumführen. Dadurch wird der mittig liegende Hippocampus, die Steuerzentrale des Gedächtnisses, durch eine geringere Strahlenintensität belastet. Diese Form der Bestrahlung kann in Einzelfällen angewendet werden, ist aber noch keine allgemein anerkannte Standardbehandlung. Nach der Operation ist die stereotaktische Bestrahlung eine Alternative zur Ganzhirnbestrahlung. Dabei wird die Operationshöhle nach einer Entfernung der Hirnmetastase gezielt bestrahlt. Durch die Schonung übriger Hirnregionen werden kognitive Störungen weitgehend vermieden. In Bezug auf das Gesamtüberleben scheinen sich beide Methoden jedoch nicht zu unterscheiden.

Mittlerweile gehört auch die medikamentöse Therapie zu den zusätzlichen Behandlungsmöglichkeiten bei einigen Patienten mit Hirnmetastasen. Dies ist besonders den Fortschritten in der Entwicklung der sogenannten zielgerichteten Therapien zu verdanken. Dies sind Therapien, die spezifisch gegen den Krebs wirken, weil sie auf molekulare Eigenschaften von Krebszellen abzielen, die nur diesen, nicht oder kaum jedoch gesunden Körperzellen eigen sind. Bei einigen Krebserkrankungen (z. B. HER2-positiver Brustkrebs, nicht-kleinzelliger Lungenkrebs mit EGFR- oder ALK-Mutationen oder malignes Melanom mit BRAF-Mutationen) sind sie bereits das Mittel der Wahl. Die Datenlage für die Wirksamkeit dieser Medikamente bei Hirnmetastasen ist jedoch häufig schlechter. Patienten mit Hirnmetastasen sind meist von der Teilnahme an klinischen Studien ausgeschlossen. Zu den oben genannten Tumorarten gibt es jedoch bereits Studien an Patienten mit Hirnmetastasen, die zeigen, dass die zur Behandlung des Primärtumors verwendeten zielgerichteten Medikamente zum Teil auch die Hirnmetastasen bekämpfen. Sollte es sich um einen hormonempfindlichen Primärtumor handeln (z. B. Brustkrebs), kommt eventuell eine Antihormontherapie in Frage. Auch Immuntherapien, die die körpereigene Abwehr wieder mobilisieren, konnten in Studien die Überlebenszeiten bei bestimmten Patientengruppen signifikant verlängern. Immuntherapien wirken allgemein gegen das Tumorwachstum, nicht nur gegen das Wachstum von Hirnmetastasen. 

Die Prognosefaktoren des Patienten fließen ebenfalls mit in die Therapiewahl ein

Generell müssen bei der Wahl der Therapie immer mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Lage, Größe oder Anzahl der Metastasen schließen bereits einige Therapiemöglichkeiten aus. Außerdem wichtig bei der Wahl einer Therapie sind Faktoren, die auf die Überlebensaussichten des Patienten schließen lassen. Eine gute Kontrolle des ursächlichen Krebsleidens oder ein langer Zeitraum zwischen der Diagnose des Primärtumors und der Hirnmetastase sind Faktoren, die eine aggressive Behandlung der Hirnmetastase rechtfertigen. Weitere Faktoren, die ein längeres Überleben begünstigen und bei denen eine Behandlung der Hirnmetastasen deshalb angebracht ist, sind das Fehlen von Metastasen außerhalb des Gehirns, das Vorliegen einer singulären Hirnmetastase, ein niedriges Alter oder bestimmte Gewebemerkmale des Primärtumors.

 

Fachberatung:  Prof. Dr. Volkmar Müller, Stellvertretender Klinikdirektor, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie Universitätsklinikum Eppendorf

 

Quellen:

[1] Deutsche Hirntumorhilfe: Hirnmetastasen
https://www.hirntumorhilfe.de/hirntumor/tumorarten/hirnmetastasen/

[2] Deutschen Gesellschaft für Neurologie – Leilinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie: „Hirnmetastasen und Meningeosis neoplastica“

[3] Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie E.V. (DEGRO) – Pressemitteilung Juli 2017: „Hirnmetastasen: Gezielte Strahlentherapie drängt Krebs länger zurück“

[4] Hardesty DA and Nakaji P. Front Surg. 2016; 3:30 – „The Current and Future Treatment of Brain Metastases”

[5] Preusser M et al. ESMO Open 2018;3:e000262 – “Recent advances in the biology and treatment of brain metastases of non-small cell lung cancer: summary of a multidisciplinary roundtable discussion”

[6] Frankfurter Allgemeine Zeitung: 17.10.2017, Rhein-Main-Zeitung, S. 31 –„ Metastasen im Gehirn müssen kein Todesurteil mehr sein“

[7] Witzel I, Laakmann E, Weide R, Neunhoffer T, Park-Simon TJ, Schmidt M, Fasching PA, Hesse T, Polasik A, Mohrmann S, Wurschmidt F, Schem C, Bechtner C, Wurstlein R, Fehm T, Mobus V, Burchardi N, Loibl S, Muller V. Treatment and outcomes of patients in the Brain Metastases in Breast Cancer Network Registry. Eur J Cancer. 2018;102:1-9.

[8] Witzel I, Oliveira-Ferrer L, Pantel K, Müller V, Wikman H. Breast cancer brain metastases: biology and new clinical perspectives. Breast Cancer Research. 2016;18.

Letzte inhaltliche Aktualisierung am: 27.09.2018

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Zuletzt aufgerufen am: 19.03.2024 10:42